Das Schiff der Hoffnung
sein. »Umberto ist in selten guter Laune. Ihr sollt zu ihm kommen.«
Wenig später standen Hellberg und Claudia dem großen, reichen Saluzzo in dessen Salon auf der Jacht gegenüber. Ein großer, mit Mahagoni getäfelter Raum, in dem eine weiße Couchgarnitur auf einem roten Teppich die Blicke an sich zog. Vergoldete Schiffslampen hingen an den Wänden. Die Holzdecke hatte die Form eines riesigen Steuerrades.
Wer Umberto Saluzzo zum erstenmal sah, wäre an ihm vorbeigegangen wie an allen anderen fremden Menschen. Nichts Ungewöhnliches war an ihm. Er war mittelgroß, hatte einen kleinen Bauchansatz, gewelltes, schwarzes Haar mit einigen grauen Strähnen darin und trug einen der typischen, wundervoll sitzenden italienischen Maßanzüge, in denen jeder Mann wie ein junger Gott aussieht. Das Gesicht war rund mit einer starken fleischigen Nase, während der Mund wie lippenlos schien, ein Schlitz im gebräunten Gesicht, weiter nichts. Nur etwas fiel an Saluzzo auf, etwas völlig Unitalienisches: Er trug im linken Auge ein Monokel. Ein Monokel aus braungetöntem Glas, wie bei einer starken Sonnenbrille. Und der Blick des Auges hinter diesem Glas war starr, leblos.
Ein künstliches Auge.
»Enrico hat mir ein trauriges Lied gesungen, Signorina«, sagte Saluzzo mit einer kleinen Verbeugung zu Claudia. Er musterte dabei schnell Frank Hellberg, den jungen blonden Mann mit dem offenen Gesicht. Ein großer, nordischer Junge, dachte Saluzzo.
»Ich habe Krebs.« Claudia sagte es ohne Zögern und ohne zu stocken. »Und ich hoffe, daß das neue Mittel, das man in Sarajewo entdeckt hat, auch mir helfen wird.«
»Das HTS?« fragte Saluzzo und verzog etwas sein Gesicht. »Wer sagt übrigens, daß Sie Krebs haben, Signorina?«
»Die Ärzte, die mich bisher untersuchten.«
»Was halten Sie davon, Signor Hellberg?« Saluzzo hatte sich in einem harten Deutsch an Frank gewandt. Der zuckte zusammen, als er so unvermittelt angesprochen wurde.
»Ich habe kein Röntgenbild gesehen, aber warum sollte ich an Claudias Wahrheit zweifeln? Ich habe sie vor einem Scharlatan gerettet …«
»Enrico erzählte es mir. Und Sie halten das HTS nicht für eine neue Scharlatanerie?«
»Ich weiß nur, daß es die letzte Hoffnung ist. So etwas sollte man nicht mit einer Kritik aus Unwissenheit zerstören.«
Umberto Saluzzo lächelte kaum merklich. Der deutsche Idealist. Der romantische Träumer. Es war nötig, die harte Realität dagegenzusetzen.
»Wieviel können Sie zahlen?« fragte Saluzzo.
Hellberg hob die Schultern.
»Was verlangen Sie?«
»Das Mädchen fährt umsonst mit.« Saluzzo musterte Claudia mit dem klebrigen Blick eines von Frauenschönheit stets angeregten Mannes. »Bezahlen müssen Sie! Oder haben Sie auch Krebs?«
»O nein, ich bin kerngesund!«
Das war eine leise Warnung und Mahnung. Saluzzo verstand sie und lächelte stärker, jetzt sah man, daß er auch Lippen hatte. Er zog sie nur ein, wenn er nicht sprach.
»Kerngesund kostet das Doppelte.« Saluzzo setzte sich in die weiße Couch und winkte zu den Sesseln. »Nehmen Sie Platz. Ich bin Geschäftsmann. Ich verkaufe Teppiche, aber ich handele auch mit dem Elend, wenn es einträglich ist. Seit drei Wochen nehme ich Kranke an Bord und schmuggele sie nach Jugoslawien, wenn sie bereit sind, den nötigen Preis dafür zu bezahlen. Schließlich laufe ich Gefahr, daß man mir mein schönes Schiff beschlagnahmt. Sie sehen, ich bin ganz ehrlich. Ich könnte auch einen umgekehrten Weg gehen und durch Aufkäufer in Sarajewo dieses HTS aufkaufen lassen, um die Pillen dann hier zwanzigstückweise zu verkaufen. Aber ich habe mir ausgerechnet, daß meine ›Privatfähre‹ mehr bringt! Die Angst um das Leben macht den Geldbeutel weit offen.«
»Nennen Sie einen Preis. Kann ich ihn bezahlen, handele ich nicht mit Ihnen.«
»Es wäre auch zwecklos.« Saluzzo unterbrach sich. Ein Steward brachte auf einem Tablett eine Karaffe mit Orangensaft und drei mit gehacktem Eis halb gefüllte, hohe Gläser. Saluzzo füllte selbst das Glas Claudias und reichte es ihr hin. »Sie sind ein schönes Mädchen …«, sagte er dabei.
Claudia nickte und zog die Hand mit dem Glas schnell zurück. »Man sagt es.«
»Ich hatte eine Tochter, die Ihnen glich.« Saluzzo rührte klappernd in seinem eisgefüllten, von der Kälte beschlagenem Glas. »Sie ertrank bei Capri. Eines der Boote, die zur Blauen Grotte fahren, stieß sie am Kopf an, und sie versank, ehe man sie an Bord ziehen konnte.«
»Wie schrecklich«,
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