Das Schiff der Hoffnung
»Also kommen Sie nun?«
Hellberg nickte. Er sah sich nicht nach Claudia um, sondern folgte Saluzzo unter Deck.
Wieder war demonstriert worden, wer hier der Stärkere war.
Saluzzo führte Hellberg über eiserne Treppen am Kabinendeck vorbei hinunter zum Maschinenraum und von dort durch drei Schottentüren in einen Teil der Jacht, der unter dem Bug lag und fensterlos war.
Ein schmaler Gang, erleuchtet von Neonröhren. Links und rechts Türen aus Eisen, blau lackiert. In den Türen, in Sichthöhe, Klappen, die mit einem Riegel verschlossen waren. Beim Anblick dieses Ganges blieb Hellberg ruckartig stehen.
»Was haben Sie?« fragte Saluzzo, der ihm vorausging.
»Das sieht wie ein Gefängnis aus«, rief Frank.
»Sie kennen Gefängnisse von innen?«
»Ich habe einmal eine Reportage über Zuchthäuser geschrieben. Das sind die typischen Zellentüren.«
»Gratuliere.« Saluzzo lächelte. »Es ist ein Gefängnis.«
»Mein Gott …«, stammelte Hellberg. Er starrte Saluzzo mit weiten Augen an. Die Überzeugung, einen Wahnsinnigen vor sich zu haben, wurde nun fast zur Gewißheit.
»Ein schwimmendes Gefängnis. Aber luxuriös. Wenn Sie gleich einen Blick in diese Zellen werfen, werden Sie es bestätigen. Sie haben ja Vergleichsmöglichkeiten zu den deutschen Zellen. Früher nannte man die schwimmenden Gefängnisse Galeeren … das war schon mehr ein Todesurteil. Aber dieses Gefängnis hier dient dem Leben, Hellberg!«
»Wer ist in diesen Zellen?« fragte Hellberg tonlos.
»Das werden Sie in wenigen Minuten sehen.«
»Haben Sie mich deshalb nach meinen Sprachkenntnissen gefragt, Saluzzo?«
»Ja.«
Umberto Saluzzo ging weiter. Fast am Ende des Ganges – man hörte deutlich das Meer gegen die Bordwand schlagen – blieb er vor einer der eisernen Türen stehen und holte einen Schlüssel aus der Hosentasche.
In dem Augenblick, in dem er den Schlüssel ins Schloß steckte und ihn herumdrehte und der leise knirschende Laut die Stille zerriß, ertönte aus dem Inneren der Zelle ein heller, markerschütternder Schrei. Die Stimme einer Frau.
Der gleiche Schrei, den Hellberg in seiner Kabine gehört hatte und von dem er glaubte, Claudia hätte in ausgestoßen.
»Die Möwe …«, sagte er heiser. »Unser Smutje wirft die Küchenabfälle immer ins Meer …«
»Sie haben ein blendendes Gedächtnis, Hellberg.«
»Alles, was Sie sagen, Saluzzo, schreibt sich bei mir wie mit Feuer ein. Es sind Brandzeichen.«
»Wie schade, daß dieses Feuerchen nie jemand sehen wird.«
Saluzzo schloß noch einmal herum. Aus dem Inneren der Zelle gellte der zweite Schrei. Ein Schrei, der einen Schauer über den Rücken Hellbergs laufen ließ.
Was würde er sehen, wenn die Tür aufschwang? Welche Teufelei verbarg Saluzzo in diesen kleinen Zellen? Wen hielt er dort gefangen? Und warum?
»Bitte!« sagte Saluzzo und öffnete die Tür. Geblendet wich Hellberg an die Gangwand zurück. Die Lichtfülle, die ihm entgegenflutete, war zu stark. Viel stärker als die normale Flurbeleuchtung.
Er sah mit blinzelnden Augen, die sich langsam an das Licht gewöhnten, zunächst nur die Einrichtung eines Salons in Weiß-Gold. Rokokomöbel, Gobelinbezüge, Damastvorhänge, eine Seidentapete und an der holzgetäfelten Decke einen Kristalleuchter, der das starke Licht ausstrahlte. Ein dicker, englischer Blumenteppich bedeckte den Boden.
»Ich glaube nicht, daß deutsche Zuchthäuser solche Zellen haben«, sagte Saluzzo spöttisch. »Die Tür ist zwar konservativ, aber die Einrichtung wird Sie überzeugen, daß ich kein Unmensch bin.«
»Und wer lebt in diesem goldenen Käfig?« Hellberg kam langsam auf die Tür zu. »Wer schreit da so entsetzlich und aus höchster Not?«
»Das eben sollen Sie feststellen … warum man schreit!« Saluzzo winkte. »Kommen Sie schneller, Hellberg. Hier ist kein Ungeheuer, das plötzlich hervorbricht.«
Hellberg atmete tief auf. Dann machte er einen großen Schritt, ging an Saluzzo vorbei und betrat das luxuriöse Gefängnis.
Überrascht und betroffen blieb er stehen, wischte sich verwirrt über die Augen und sah sich dann fragend nach Umberto Saluzzo um.
Auf einem Bett, das mit einem Überwurf aus echten Leopardenfellen abgedeckt war, lag ein wunderschönes Mädchen. Die langen, schwarzen Haare hingen wie ein Schleier über dem schlanken Körper, den nichts bedeckte als ein kurzes, durchsichtiges Spitzenhemdchen. Als das Mädchen die beiden eintretenden Männer sah, kroch es auf dem breiten Bett bis zur Wand, zog die
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