Das Schiff der Hoffnung
Saluzzos. Was hatte es für einen Sinn, den Kopf dieser Teufelsbande niederzuschlagen und dann hilflos in den vielen Armen des Verbrecherpolypen zu landen?
Saluzzo schloß die Tür auf, sie kamen in den Maschinenraum. Die Gelegenheit war vorbei. Das Warten, das Belauern, die Hoffnung auf eine rettende Situation ging weiter.
Als sie wieder das Deck betraten, scholl ihnen Musik entgegen. Luigi Foramente tanzte mit Claudia. Hellberg sah, wie steif sie ihren Körper hielt, wie ekelhaft es ihr war, jetzt die Vergnügte zu spielen. Saluzzo blieb stehen.
»Sie haben nun gesehen, was mit meinem Schiff los ist«, sagte er.
»Ja. Sie handeln mit lebender Ware!«
»Und es ist Ihnen doch wohl klar, daß dieses Wissen Ihre Rückkehr in das normale Leben verhindert?«
»Von Ihrer Warte aus gesehen, ja.«
»Meine Warte ist immer die richtige, Hellberg!«
»Wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie auch mich verkaufen!« Hellberg lachte gequält. »Saluzzo, das ist doch eine ausgemachte Blödheit!«
»Wir fahren morgen früh hinaus ins offene Meer. Auf halbem Wege werden Sie und die Mädchen umgeladen auf ein Boot, das uns irgendwo erwartet. Wo, das kann Ihnen egal sein. Sie verstehen doch nichts von Seekarten. Die Leute auf diesem Schiff aber sind keine Europäer mehr, sondern Orientalen. Ich traue Ihnen soviel Intelligenz und Wissen zu, daß Ihnen klar ist, wieviel ein Orientale vom Menschen an sich hält. Ob Sie Hellberg heißen oder Fürst Pipapo, das ist diesen Leuten völlig gleichgültig. Sie sind Ware, weiter nichts. Ware wie Apfelsinen oder Melonen, Feigen oder Kuhhäute. Leisten Sie Widerstand, wird dieser Widerstand gebrochen. Brutal, das kann ich Ihnen sagen. Ich habe in Dschibuti auf dem Markt Männer gesehen, die einen Kopf wie ein Blumenkohl hatten; so zusammengeschlagen hat man sie, bis sie keinen Willen mehr hatten und glücklich waren, in die Hände neuer Herren zu kommen.« Saluzzo hielt Hellberg am Rock fest, als er zu Claudia gehen wollte. »Nicht so stolz, Signore. Man hat in den Felsen des Yemen Gold entdeckt. Nicht im Flußsand, sondern unter Tage, im Steinabbau. Dort sucht man jetzt intelligente Vorarbeiter. Ich dachte, das sei ein Job für Sie.«
»Sie sind wahnsinnig, Saluzzo!« Hellberg riß sich los. »Und was haben Sie mit Claudia vor?«
»Sie bleibt an Bord. Von den besten Ärzten wird sie untersucht werden, und ich werde ihr auch dieses verdammte HTS besorgen, wenn es notwendig ist. Claudia wird meine zweite Tochter werden.«
»Wenn sie will!« Hellberg lächelte böse. »Sie können Menschen zum Haß quälen, aber nicht zur Liebe.«
»Ich sehe, Sie unterschätzen mich, Signore Hellberg.« Saluzzo schüttelte wie bedauernd den Kopf. »Gehen wir zu der fröhlichen Musik. In zwei Tagen ist dieses schöne Leben ja zu Ende …«
In der Nacht, als man Hellberg wieder in seiner Kabine eingeschlossen hatte, fand er keinen Schlaf. Unruhig rannte er hin und her, dachte an Juanita Escorbal, an die anderen Mädchen in den Zellen und an Claudia Torgiano, deren Schicksal doppelt tragisch war: Die Angst, Krebs zu haben, und die Angst, in den Händen Saluzzos zu bleiben.
Ob Enrico Sampieri, der Redakteuerkollege von der Gazetta Bari, das alles gewußt hat? Und wenn ja, warum hatte er Hellberg dann an Bord gehen lassen? Fehlte ihm der Mut, über Saluzzo zu schreiben, und hoffte er, der deutsche Kollege könne sich durchboxen und einmal diesen Teufel in Menschengestalt zur Strecke bringen?
Es war für Frank Hellberg eine schreckliche Nacht. An der Vibration des Schiffsbodens und dem leisen Stampfen aus dem Maschinenraum merkte er, daß sie bereits wieder fuhren – der Stelle irgendwo im Mittelmeer entgegen, wo das Schiff der orientalischen Händler ihn und die Mädchen übernehmen sollte.
Und je weiter sie sich jetzt von der Küste entfernten, um so sicherer wurde es für Frank Hellberg, daß er im Augenblick keinerlei Chancen hatte, Saluzzo entgegenzutreten. Abwarten – das war alles, was ihm blieb. Auf den Zufall warten, diesen großen Verbündeten der Bedrängten.
Und wenn dieser Zufall nicht kam …?
Ruhig glitt die alte ›MS Budva‹ durch das nächtliche Meer. Sie schlingerte, die Maschinen verursachten einen Höllenlärm, aber an Bord war alles zufrieden, die Passagiere schliefen, die Lichter waren gelöscht bis auf die Positionslampen und die Lichter auf der Kommandobrücke. Wer sie von weitem sah, hatte den Eindruck, einen schlafenden Luxusdampfer majestätisch vorbeiziehen zu sehen,
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