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Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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langsam, nach außen hin lautlos, denn das Maschinenstampfen hörte man nur auf Deck 2 und im Laderaum. Dort allerdings dröhnte es wie mit hundert Kesselpauken. Hier auf Deck 2 lagerten auch die ärmeren Passagiere in guter, alter Auswanderermanier auf Decken und Luftmatratzen, neben Kinderwagen und Gepäcksäcken. Familien mit Kindern, Großvater und Großmutter, Tanten und Onkeln. Ein Haufen zusammengeballter, auf engem Raum liegender, sitzender und hockender Menschen, umgeben vom Geruch geschälter Orangen, frischen Schafskäses und menschlicher Ausdünstung.
    Auf Deck 1, den ›Luxuskabinen‹, brannten hinter verhängten Bullaugen noch vereinzelte Nachttischlampen. Der sterbende Engländer, dieses mit Haut überzogene Gerippe, atmete noch immer. Er hatte nach der Spritze des Bordarztes sogar für einen Augenblick die Besinnung wiedererlangt und seine Verwandtschaft, die um sein Bett saß, groß angesehen. »Wann sind wir in Sarajewo?« hatte er gefragt. Und der Neffe, der die mitreisenden Verwandten verpflichtet hatte, immer optimistisch zu tun, hatte geantwortet: »Übermorgen, Onkel James.«
    »Bestimmt?«
    »Bestimmt!« murmelten die Verwandten. »Laßt euch nicht einfallen, mich irgendwo abzuladen, wenn ich wieder die Besinnung verliere, und mich verrecken zu lassen! In meinem Testament steht, daß dieser Dr. Zeijnilagic unterschreiben muß, mich gesehen zu haben. Sonst gibt es keinen Penny, keinen Penny, verdammt noch mal!«
    Dann fiel er wieder in Ohnmacht, aber er atmete tiefer, als habe diese Drohung an die Verwandten sein Herz wesentlich gestärkt.
    Karl Haußmann lag neben Erika und hörte auf ihre tiefen Atemzüge. In der Nacht, er war gerade eingeschlafen, weckte ihn leises Klopfen an der Tür. Er öffnete, und der Schiffsarzt steckte den Kopf in die Kabine und blickte zu Erika hinüber.
    »Alles o.k.!« sagte Haußmann. Okay muß er verstehen, dachte er. Das kennt der Neger im Busch so gut wie ein Jugoslawe. Der Bordarzt, ein alter Mann, der nach Slibowitz roch, wenn er ausatmete, rollte mit den Augen.
    »Nix okeh«, sagte er heiser. »Tres malade …« Er drückte Haußmann zur Seite, kam in die Kabine und stellte ein altes, abgegriffenes und fleckiges Lederköfferchen auf den Tisch. Dann beugte er sich über Erika, zog die Bettdecke von ihr, schob ihr das Nachthemd bis zum Kinn und betastete ihren nackten Leib.
    »Was machen Sie denn da?« stotterte Haußmann verblüfft. »Sie können doch nicht einfach meine Frau nackt …« Dann fiel ihm ein, daß der Arzt ja kein Wort verstand, und er ging hin, faßte den Arzt am Rock und zog ihn von Erika weg, in dem Augenblick, wo er Erikas Brust abhorchen wollte. »Nix!« sagte er dabei. »Ne pas malade … Nur tres fatiguee …«
    Der nach Slibowitz riechende Arzt fuhr herum wie eine fauchende Katze und schlug Haußmann auf die Finger. Eine Flut jugoslawischer Worte rauschte über Haußmann, und es schienen keine höflichen Worte zu sein.
    Haußmann wußte sich nicht mehr zu helfen. Er zog die Decke über Erikas entblößten Körper, ging zur Tür, öffnete sie weit und zeigte hinaus.
    Diese Sprache ist international. Der Arzt bekam kleine, böse Augen, sagte etwas, das mit Zischlauten begleitet war, raffte sein Lederköfferchen vom Tisch und rannte an Haußmann vorbei hinaus auf den Gang.
    »Na also«, sagte Haußmann zufrieden und schloß die Tür wieder. »Die Völkerverständigung klappt ja.«
    Aber die Ruhe war nur kurz. Zehn Minuten später klopfte es wieder. Karl fuhr aus dem Bett und riß die Tür auf, bereit, dem betrunkenen Arzt auf gut Ruhrdeutsch die Meinung zu sagen. Aber vor der Tür stand nicht der Doktor, sondern der I. Offizier. Der gleiche unhöfliche Mensch, der Haußmann beim Verladen des Wagens einfach stehenließ, weil er ein Deutscher war.
    »Was ist los?« fragte der I. Offizier in seinem harten Deutsch. Auch er roch nach Slibowitz. In der Offiziersmesse mußte gefeiert werden, vielleicht hatte jemand Geburtstag. Haußmann sah den Mann mit den goldenen Ärmelstreifen entgeistert an.
    »Vielleicht darf ich fragen, was Ihr dämlicher Arzt nachts um 2 Uhr in meiner Kabine macht?! Kommt da herein, entkleidet meine schlafende Frau …«
    »Das ist seine Pflicht!« Der I. Offizier sah hinüber zu der schlafenden Erika. Die Injektion hatte sie wie betäubt. »Sie hat Krebs?«
    »Höflichkeit ist wohl nicht Ihre Stärke, was?« rief Haußmann. »Was erlauben Sie sich eigentlich?! Wenn Sie keinen Slibowitz vertragen …«
    »Ich vertrage

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