Das Schiff der Hoffnung
gearbeitet haben, um den Dreckskahn flottzukriegen und nicht gefunkt haben, um durch SOS keine Panik zu erzeugen. Ist das klar?«
»Völlig klar, Andric.«
»Dann alle Mann auf die Posten. Ich alarmiere jetzt Bari und Dubrovnik. Schätze, daß wir nun einen guten Tag länger brauchen, bis man uns abgeschleppt hat.«
Ruhig schaukelte die ›MS Budva‹ auf der sanften Dünung. Eine leichte Brise wehte von Süden, die Sonne stieg silbern auf, es wurde ein schöner, warmer Sommertag, von denen die Urlauber aus dem Norden immer träumen.
Der erste, der aktiv wurde, war Dr. Mihailovic. Er besuchte seine Patienten und gab ihnen eine neue Injektion, damit sie den kommenden Tag des Stillstandes verschliefen. Um ihr Herz nicht zu belasten, setzte er eine Kreislaufspritze hinterher und erzählte in jeder Kabine, daß der Schaden an der Maschine nur leicht sei. Zur Überbrückung der Zeit würde auf Deck 1 die Kapelle der Freiwache flotte Musik machen.
In der Kabine des Engländers allerdings traf Dr. Mihailovic auf unvorhergesehenen Widerstand. Der Neffe verlangte, daß sofort von Dubrovnik ein Wasserflugzeug herbeigerufen werde, um seinen Onkel nach Sarajewo zu bringen. Geld spiele gar keine Rolle.
»Ein Flugzeug!« sagte Dr. Mihailovic, als handele es sich um die Bestellung einer Mondrakete. »Was glauben Sie, wo wir sind?!«
»Biete ihm 10.000 Pfund«, sagte der lebende Leichnam aus seinem Bett. »Damit kann er seinen Hintern vergolden lassen.«
Dr. Mihailovic verließ beleidigt die Kabine des Engländers. Er gab ihm weder eine Herzinjektion noch eine Betäubungsspritze. Auch die Kabine von Haußmann, dem unangenehmen Deutschen, mied er. Es gibt eben Patienten, die selbst einem Arzt mißfallen.
Nach dem Frühstück gingen Karl und Erika Haußmann auf dem Sonnendeck spazieren. Sie genossen den herrlichen Tag und hatten sich mit dem Zwangsaufenthalt auf See abgefunden. Sie lagen in ihren Liegestühlen und bedauerten es nur, daß das Schwimmbecken an Deck nicht voll Wasser war, sondern nur eine schmuddelige, rissige Vertiefung. Marion Gronau war noch nicht aus ihrer Kabine gekommen. Erika bemerkte es wohl, aber sie schwieg. Nach dem tiefen Schlaf kam sie sich sehr erholt vor und wunderte sich, daß Dr. Mihailovic, der zur Brücke ging, ruckartig stehenblieb, sie musterte, Karl Haußmann anstarrte, mehrmals den Kopf schüttelte und dann gedankenvoll weiterging.
Gestern noch todkrank auf einer Trage, heute strahlend und hübsch im Liegestuhl in der Sonne – das soll einer begreifen! Die Germanen müssen eine besondere Rasse sein.
Erst gegen Mittag kam Marion an Deck.
Sie sah bezaubernd aus, ihr Blondhaar fiel in weichen Wellen auf die Schulter, und sie trug kurze, enge Shorts und über der Brust eine atemberaubende Corsage. Die Schatten unter ihren strahlenden Augen gaben ihrem Gesicht etwas ungemein Faszinierendes.
»Welch ein Tag!« sagte sie, legte sich neben Erika in Karls Liegestuhl und warf die langen, schlanken Beine hoch. Haußmann stand an der Reling und grüßte nicht zurück. Er tat, als sehe er Marion gar nicht. »So ein Maschinenschaden ist auch etwas Gutes«, sprach Marion unbeirrt weiter. »So kommt man wenigstens zu etwas Seeluft. Ich bräune übrigens sehr schnell. Morgen werde ich dunkel sein wie eine Mulattin. Das ist bei blonden Typen sonst sehr selten …«
»So vieles ist selten«, sagte Haußmann unhöflich und laut. Er beugte sich vor und half der verblüfften Erika aus ihrem Liegestuhl. »Komm, Rika, wir gehen aufs Spieldeck und versuchen uns im Kricket.«
Ohne ein weiteres Wort hakte er Erika unter und ging mit ihr fort. Unhöflicher ging es nicht, es war eine offene Brüskierung. Betroffen, mit plötzlich kleinen Augen starrte ihnen Marion nach.
Was hat er denn? dachte sie. Warum behandelt er mich wie ein Stück Dreck? Was habe ich ihm getan? Und dann kam Wut und Trotz in ihr hoch und sie ballte die Fäuste. Na warte, dachte sie. Es geht auch anders, mein liebes Bärchen! So kannst du mir nicht kommen, so nicht! Ich bin keine Dirne, die man nach der Bezahlung hinauswirft! Ich habe immerhin nahe genug mit dir am Traualtar gestanden, und wenn ich aufzähle, was du mir in zwei Jahren im Büro alles gesagt hast – ich glaube nicht, daß deine Rika dann so fröhlich Kricket spielen würde.
Sie legte sich wütend zurück und schloß die Augen.
»Du hast sie nicht schön behandelt, Karl«, sagte Erika, während sie zum Spieldeck gingen. »Warum bist du so unhöflich zu ihr? Wir haben ihr
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