Das Schiff der Hoffnung
Geben Sie Alarm, Genosse. Zunächst nur die Flugstaffel. Der Mistkahn muß Havarie haben. Wer weiß, wo er herumschwimmt. Sinken kann er nicht, bei diesem Wetter. O Gott, es lohnt sich nicht, ein paar tausend Dinare zu verdienen, wenn man dafür weiße Haare bekommt …«
Der Hafenkommandant wartete noch bis 11 Uhr, dann rief er den Militärflugplatz Zelenika an. Drei Aufklärer starteten sofort, überflogen Dubrovnik und drehten dann auf das Meer ab.
»Diese Aufregungen!« sagte der Reederei-Sekretär. »Ist es ein Wunder, Genosse, wenn ich magenkrank bin?«
Um 11.12 Uhr begann der Telegraf zu ticken. Der Hafenkommandant und der staatliche Reederei-Sekretär sahen wie gebannt auf den Streifen, der aus dem Telegrafen rasselte.
»Die ›Budva‹ …«, stöhnte der Sekretär. »Jetzt funkt das Miststück, wo die Flugzeuge unterwegs sind.«
»Sie haben Maschinenschaden.« Der Hafenkommandant riß den Morsestreifen ab und las die Funkmeldung. »Eine Turbinenwelle gebrochen. Treiben auf dem Meer. Haben versucht, den Schaden selbst zu reparieren. Bitten um Abschlepp.«
Der Kopf des Reederei-Sekretärs war rot wie ein Winterapfel. »Warum erst jetzt?« schrie er. »Warum melden sie es nicht gleich, Genosse? Den Kapitän lasse ich strafversetzen. Ins Zuchthaus kommt er. Ein Abschleppschiff! Vor heute abend können sie gar nicht in Dubrovnik sein. Diese Blamage! In allen Zeitungen wird es stehen. Und dazu mein Name. Mit dem Kopf an die Wand sollte man rennen!«
Er rannte hinaus, hinüber zur Sprechfunkanlage. Nach zehn Minuten war er wieder da, ein wenig bedrückt und mit einem zerknitterten Gesicht. Der Hafenkommandant hatte unterdessen Verbindung mit den Suchflugzeugen. Er saß, Kopfhörer um die Ohren, an einem Schaltpult und regulierte den Ton.
»Sie überfliegen die ›Budva‹«, sagte er, als der Sekretär eintrat. »Sie treibt ungefähr auf der Mitte der Strecke. Alles scheint wohlauf. Die Beobachter melden, daß auf einem Deck Kricket gespielt wird, und auf dem anderen Deck tanzen sie. Tolle Stimmung, Genosse!«
»Sie tanzen! Alles in Ordnung.« Der Sekretär fiel auf einen Stuhl und wischte sich den perlenden Schweiß vom Gesicht. »Ich habe mit dem Kapitän gesprochen, der Teufel zerreiße ihn! Eine Schießerei hat's gegeben, einen Irren, der sich erhängt hat, und zwei Tote durch Krebs. Die Maschine ist völlig hinüber, ein Hauptkabel durchgebrannt, und das Schiff manövrierunfähig.«
»Das reicht, Genosse!« Der Hafenkommandant nahm die Kopfhörer ab und legte sie neben sich. »Mit dieser Liste sind Sie rehabilitiert. Das ist eine Ansammlung von höherer Gewalt, die zwingend ist.«
»Ich habe es schon nach Belgrad gemeldet.« Der Reederei-Sekretär sah traurig über das in der Sonne herrlich leuchtende blaue Meer. »Zwei Schlepper sind unterwegs zur ›Budva‹. Sie, Genosse Mirko, werden gleich Befehle vom Kommandanten in Mostar bekommen. Bevor die Passagiere an Land dürfen, soll eine genaue Untersuchung der Vorfälle stattfinden. Die ›Budva‹ soll außerhalb des Hafens ankern. Miliz wird an Bord gehen. Man wird einen gewaltigen Wirbel machen.«
»Und die Kranken an Bord, die nach Sarajewo wollen?«
»Weiß ich es?« Der Sekretär hob hilflos die Schultern. »Ordnung ist alles! Und Befehle soll man nicht überdenken. Oder sind Sie anderer Ansicht, Genosse?«
»Nein!« Der Hafenkommandant setzte den Kopfhörer wieder auf. »Ich werde erst einmal dafür sorgen, daß Särge und ein Lastwagen am Hafen sind, wenn die ›Budva‹ einläuft. Und die Genossen vom Leichenkeller des Krankenhauses müssen auch Bescheid wissen.« Der Hafenkommandant lehnte sich zurück und sah an die weißgetünchte Decke. »Wann hört dieser Blödsinn eigentlich auf, in Sarajewo auf Wunder zu warten …?«
Der Maschinist Julius Scheible war ein untersetzter, blonder, etwas bulliger Mann mit dicken Muskeln an den Armen und einer plattgedrückten Nase. Er hatte das Haar kurz geschnitten wie ein Igel, und die Hände, die den schweren Hammer umklammert hielten, waren voll Öl und Maschinenfett.
Er stand in dem offenen Schott, sah hinaus auf den Gang und hob den Hammer, als Frank Hellberg einen Schritt nach vorn machte.
»Stehenbleiben, Freundchen!« sagte Julius Scheible. »Sonst knallt's aufs Hirn!«
»Laß die großen Sprüche, Junge.« Hellberg lehnte sich an die eiserne Gangwand. »Leg' das Hämmerchen weg und spiel' keinen Samson! Du siehst, die Weiber sind weg, und wir zwei können uns wohl vernünftig
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