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Das Schiff der Hoffnung

Das Schiff der Hoffnung

Titel: Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Gordischen Knoten. Denken Sie an Caesar, als Cleopatra aus dem Teppich rollte. Denken Sie an Napoleon bei der Kaiserkrönung: Die Krone nahm er dem Papst aus der Hand und setzte sie sich selber auf. Das sind Männer! Ihnen gehörte die Welt. Sie sind Vorbild. Aber keiner wagte sich an die Vernichtung der Ärzte. Das ist die größte Tat der Geschichte. Ich werde sie vollziehen …«
    Der I. Offizier bekam durch einen Matrosen eine Meldung.
    »Das Anstrichbrett ist nur noch einen halben Meter von der Luke entfernt«, flüsterte er Haußmann ins Ohr. »Jetzt wird es kritisch. Der Irre darf nicht zum Fenster sehen. Reden Sie … reden Sie … nur noch fünf Minuten …«
    Und Karl Haußmann redete. Was er sprach, er wußte es später nicht mehr zu sagen. Ohne Unterbrechung redete er auf den Irren ein, entwickelte eine Philosophie der Macht, die Uve Frerik hinter der Tür entzückte, denn ein paarmal rief er »Bravo! Bravo!« und klatschte in die Hände wie ein spielendes Kind.
    Mit flatternden Augen starrte Haußmann den I. Offizier an.
    »Ich kann nicht mehr«, stammelte er. »Ich werde selbst noch verrückt …«
    »Sprechen Sie weiter!« flüsterte der I. Offizier. »Er darf sich nicht umdrehen.«
    Und Haußmann redete.
    Über Napoleon und Alexander den Großen. Über Bismarck und Kaiser Wilhelm II. Sinnloses Zeug, über das der irre Uve Frerik lachte wie über herrliche Witze.
    In der Kabine saß Erika immer noch mit angezogenen Beinen im Sessel. Das Kratzen an der Bordwand hatte aufgehört. Ein Gesicht erschien draußen am Bullauge. Dann eine Hand, die Erika zuwinkte und Zeichen gab, sich in den Sessel zu ducken. Der Lauf eines Gewehres schob sich an die Scheibe, das runde Loch der Mündung starrte ins Zimmer.
    Erika Haußmann zog den Kopf in die Schulter und ließ sich tief in den Sessel rutschen. Uve Frerik stand mit dem Rücken zu ihr, das Messer in der rechten Hand, in der linken den ausgezogenen Rock, den er von sich hielt wie ein Torero seine Cappa. Er hatte eine erregte Diskussion mit Karl Haußmann über Hannibals Elefantenzug über die Alpen.
    Der Matrose vor dem Bullauge zielte auf den rechten Arm. Alles lag jetzt an einem treffsicheren Schuß. Ging der erste Schuß daneben, war Erika Haußmann in höchster Lebensgefahr.
    Der Matrose wartete, bis der Irre mit dem ganzen Rücken zu ihm stand. Dann drückte er ab.
    Der Schuß war kaum zu hören, er zerflatterte draußen im Seewind. Glas splitterte, und Uve Frerik wurde wie von einer riesigen Faust gegen die Tür geschleudert. Er brüllte auf, das Messer entfiel seiner Hand, Blut rann aus seiner rechten Schulter. Mit einem Satz sprang Erika aus dem Sessel und riß einen Stuhl hoch, um sich zu wehren, falls der Irre sich auf sie werfen würde.
    Aber dazu kam es nicht. Fast gleichzeitig mit dem Aufschrei Freriks zersplitterte die Mahagonitür unter ein paar gewaltigen Axthieben, und Karl Haußmann und der I. Offizier stürzten ins Zimmer.
    »Karl!« schrie Erika auf und ließ den Stuhl fallen. »O Karl …« Dann sank sie in sich zusammen, und Haußmann konnte sie gerade noch auffangen und zum Bett tragen.
    »Rika!« stammelte er. »Es ist ja alles gut. Alles ist vorbei. Rika …« Er küßte sie und streichelte ihr bleiches Gesicht und wußte in dieser Stunde, daß ein Leben ohne sie für ihn sinnlos gewesen wäre.
    Der I. Offizier und zwei Matrosen kümmerten sich um Uve Frerik. Er stand an der Wand, das Blut lief an ihm herunter, aber er lächelte und hob stolz den Kopf, als ihn die Männer packten und festhielten.
    »Tun Sie Ihre Pflicht, meine Herren«, sagte er laut und mit fester Stimme, der man nichts von dem Schmerz anmerkte, der von der zerschossenen Schulter durch seinen ganzen Körper zuckte. »Auch Kaiser Maximilian ging erhobenen Hauptes zur Exekution! Es lebe der freie Geist!«
    Mit stolzer Haltung ließ er sich abführen und beachtete Dr. Mihailovic mit keinem Blick, als er an ihm vorbeiging. Man brachte ihn in einen Verschlag des Laderaumes II, wo ein Matrose notdürftig die Einschußwunde verband. Dr. Mihailovic weigerte sich, das zu tun.
    Karl Haußmann richtete sich vom Bett auf, als er Marions Stimme in der Kabine hörte. Sie hatte oben auf dem Spieldeck nichts von dem Drama unter Deck gehört. Erst als der Schuß fiel, war sie die Treppe hinuntergerannt und sah die Ansammlung der Menschen vor der zersplitterten Tür.
    »Was ist geschehen?« rief sie. »Mein Gott … Karl … Bärchen … Was ist mit deiner Frau? Wer hat

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