Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
wenigsten bemerkbar macht.
    Vom Sicherheitsnetz eingehüllt, dösen die beiden Mädchen glückselig vor sich hin.
    Irgendwann löst sich mein anderes Selbst vorsichtig aus dem Netz, durchquert die Kapsel und lässt sich nahe bei mir am Bullauge nieder, wo das Netz ihn sofort wieder einwickelt. In den letzten Minuten habe ich hin und wieder einen kurzen Blick auf die Sterne und die Nebelstreifen geworfen und mich dabei gefragt, wohin wir eigentlich fliegen und ob irgendeiner von uns das Reiseziel kennt.
    »Das da draußen ist eine riesige glühende Gaswolke«, bemerkt mein Doppelgänger schließlich.
    »Vermutlich die Auswirkung einer Nova oder Supernova«, erwidere ich.
    »Erinnerst du dich noch an vieles?«, fragt er.
    »Ich versuche es zumindest.«
    »Na ja, wenn wir wirklich Duplikate – Doppelgänger – sind, können wir einander sicher aushelfen. Die Dinge ein bisschen beschleunigen.«
    »Wahrscheinlich schon. Bist du mir schon mal begegnet? «
    »Lass uns später darüber reden. Wie steht’s mit dir? Bist du mir schon mal begegnet?«

    »Zumindest bist du das erste lebende Duplikat, dem ich begegne. Man sagt doch Duplikat, oder?«
    Er streckt abwehrend die Hände hoch: Spielt doch keine Rolle. »Wie lange bist du schon am Leben?«
    »Schwer zu sagen. Schätzungsweise hundert Rotationszyklen. «
    »Ich habe mitgezählt, weil es im Notizbuch empfohlen wurde.« Er zieht ein zerfleddertes, mit Flecken übersätes Büchlein aus der Hosentasche, das dreimal so dick ist wie meines. »Ich bin seit vierhundertzwölf Rotationszyklen hier, plus/minus zehn.«
    »Okay, du hast gewonnen.«
    »War dein Startpunkt der Gürtel – der Bereich rings um die Schiffsmitte?«
    »Ich glaube schon.«
    »Bei mir auch. Dahinter liegen wahrscheinlich nur Maschinenräume. Jeder der drei Schiffskörper hat achtern ein riesiges Triebwerk.«
    »Vermutest du es, oder weißt du das?«
    »Manches weiß ich, anderes hab ich mir zusammengereimt. Jedenfalls enthält der große Wassertank die vom Eismond abgebaute Reaktionsmasse. Sie wird durch die Rohre nach oben geleitet, die an den Stützstreben entlang und später quer durch die Rumpfverkleidungen verlaufen. Ich habe einige Roboter, Elemente – oder was sonst noch da unten herumwuseln mag – von oben gesehen. Vielleicht können wir sie lokalisieren, falls unsere geschickte Pilotin dieses Ding ein bisschen rotieren lassen kann. Wie wär’s mit einer kleinen Besichtigungstour?« Er blickt über die Schulter zur Spinnenfrau hinüber.

    Sie lächelt und rollt die Hände auf der blauen Halbkugel hin und her. »Anscheinend hat das Mädchen die Kapsel auf automatische Steuerung eingestellt. Unseren Kurs kann ich nicht verändern, nur unseren Blickwinkel. «
    Gleich darauf wandelt sich die Szenerie, die wir vom Bullauge aus sehen können. Abwechselnd geben wir der Spinnenfrau Anweisungen, bis wir den Frontalbereich des kleinen Mondes unmittelbar vor uns haben. Und eine winzige blassgrüne Kugel, die wie ans Eis geklebt wirkt.
    »Die Reiseleitung«, erklärt mein anderes Ich. »In der grünen Kugel sind deren Quartiere und Arbeitsräume untergebracht.«
    »Die Schiffsleitung scheint sich wegen der Reiseleitung Sorgen zu machen«, sage ich, um auch ein paar Informationen beizusteuern.
    »Du hast mit der Schiffsleitung gesprochen?«
    »Ich glaube schon, dass es die Schiffsleitung war. Allerdings ist das nur ein einziges Mal passiert. Soweit ich weiß, sollten alle Angehörigen der Reiseleitung mittlerweile eigentlich schon tot sein.«
    »Was sind das für Leute?«, fragt die Spinnenfrau.
    »Auf halber Strecke zur Zielregion wählen sie auf Grundlage aller vom Schiff gesammelten Daten den am besten geeigneten Planeten aus.« Mein Zwilling spricht fast im Oberlehrerton mit uns. Es liegt auf der Hand, dass er über weitaus größere Kenntnisse und Erfahrungen als ich verfügt. Und es stimmt, was er sagt. Mir fallen jetzt viele weitere Einzelheiten ein. Mein anderes
Ich bestätigt und bekräftigt das, was ich bereits wusste, und zugleich findet so etwas wie ein Wettstreit zwischen uns statt. Alles wird nach und nach plausibler und fügt sich Stück für Stück zu einem Gesamtbild zusammen. Selbst die Entfernung, die wir ursprünglich hatten zurücklegen wollen, taucht in meiner Erinnerung auf: fünfhundert Lichtjahre. Dreißig – bei zwanzig Prozent. Eine Reise, die mehr als dreißig Jahrhunderte hatte dauern sollen, bei einem Fünftel der Lichtgeschwindigkeit. Ungeheuer schnell, doch nicht annähernd

Weitere Kostenlose Bücher