Das Schiff - Roman
haben mich nicht einfach
aufgegeben. Allerdings sehe ich nicht viel Grund zum Optimismus: Warum sollte es mir besser ergehen als meinen früheren Versionen, all den toten Duplikaten in den Tiefkühlschränken? Und jedes davon hat seine eigene traurige Geschichte …
Das Monster hält kurz inne. Findet irgendetwas, an dem es sich abstützen kann. Löst sich aus dem Gewirr von Pflanzenabfall und Trümmern. Streckt eine Klaue hoch und schwenkt sie durch die Luft, streift aber lediglich meine Ellbogen und die Hüfte.
Irgendetwas, das den Geräuschen nach noch größer und massiger sein muss, lässt sich vom Dschungeldach nach unten sinken. Als es in das Licht gerät, das von der Luke aus herüberdringt, kann ich Einzelheiten erkennen: eine ekelhaft grüne Hautfarbe mit roten Streifen, Panzerplatten, die mit messerscharfen Stacheln ausgestattet sind. Eine andere Variante des Klauenmonsters, jedoch ähnlich konstruiert. Offenbar ist das Sortiment des Katalogs nicht sonderlich breit und kann mir kaum noch Überraschungen bieten.
Weit gefehlt, wie ich merke, als der Neuankömmling ein langes, dickes Band entrollt, das sich windet und spiralenförmig auf das Klauenmonster zubewegt, als würde es von einer leichten Brise hinübergetragen. Dabei leuchtet der obere Teil des Bandes auf und stößt eine zähe rosafarbene Masse aus, die auf das rote Monster zustrebt, sich auf dessen Rücken verteilt und dort haften bleibt. Jetzt tritt der Nachtmahr im Doppelpack auf – als wäre einer nicht schon schlimm genug.
Auf diese Weise fest verankert, schlägt das Band heftig aus, beschreibt wie ein rotierendes Sprungseil eine Kurve und zerschreddert alles in seinem Umkreis. Gleich wird es mich halbieren.
Doch unvermittelt taucht Tsinoy mit einem Satz auf der anderen Seite des Raums auf, landet auf dem Rücken des roten Monsters und schlägt seine Klauen tief hinein, wobei seine Muskeln eine bizarre schlangenartige Choreografie vollführen. Gleich darauf versenkt er die Greifarme in dem roten Panzer, hebt ihn an, knackt ihn auf, zerfetzt und zermahlt ihn. Die Szene macht mir solche Angst, dass ich am liebsten auf der Stelle tot umfallen würde. Aber dann lenkt mich eine erneute Veränderung der Situation ab: Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich, dass sich der große Gelbe und das Mädchen, das die Arme um den Stiernacken des Mannes geschlungen hat, an einer freien Strecke der gewölbten Wand entlangbewegen. Halb schieben sie sich vorwärts, halb lassen sie sich treiben und haben dabei einen anderen Körper im Schlepptau – einen Mann mit Knochenkamm, der zwar völlig benommen, aber noch am Leben ist. Im Gesicht und am Hals hat er tiefe Wunden und Kratzer, die Kleidung ist zerfetzt.
Der Gelbe lässt das Knochenkammgeschöpf in meiner Obhut und verfrachtet mit finsterer Entschlossenheit auch die Kleine in meine Arme, obwohl sie sich heftig dagegen wehrt. »Sie riecht ein Exemplar der eigenen Art«, erklärt er. »Pass auf sie auf, während ich mich um die anderen kümmere.« Voller Bewunderung blickt er zum Spürhund hinüber, der es geschafft hat,
das peitschende »Sprungseil« vom Doppelmonster abzutrennen und es damit zu desorientieren. Allerdings ist es ihm nicht gelungen, es zu töten oder ihm auch nur wesentliche Körperteile abzureißen.
Unverhofft wirbelt die Spinnenfrau so schnell an mir vorbei, dass ich nur ein Gewirr von langen Gliedern ausmachen kann. »Wo bleibt denn dein gottverdammter Retter, der mit dem Strahlengewehr?«, ruft sie zu mir herüber.
Gute Frage. Ich könnte ihn jetzt wirklich brauchen: Wie ein Teufelsbraten windet sich die Kleine in meinen Armen, während das ständig aufheulende und stöhnende Knochenkammgeschöpf verzweifelt meine Füße umklammert und immer wieder in den Abfall hinuntersackt, um gleich darauf wieder nach oben zu schnellen. Und jetzt streift auch noch irgendetwas Weiches meine Wange, eine federleichte Strähne, die eine Schleife bildet und mir nicht nur die Gesichtshaut, sondern auch die Finger versengt, als ich danach greife. Und das ist erst der Vorbote. Aus einer lederartigen schwarzen Masse über mir lösen sich weitere Strähnen und schwirren durch die Luft. Die Masse ist überall, hüllt die abgestorbenen Zweige und Äste ein, tropft von den Seilen und verstreut dabei den Staub zerfallender Blätter. Am helleren Rand sitzen lange Stechranken und an deren Spitzen jeweils ein funkelndes blaues Auge von der Größe einer Murmel. Und all diese weit aufgerissenen Augen zucken hin
Weitere Kostenlose Bücher