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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Meer kommt uns zwar vertraut vor, weist aber bedenklich viele blinde Flecken auf, so als wären hier Informationen gelöscht worden. Blinde Flecken im Gedächtnis des Schiffskörpers! Grob geschätzt scheinen neunzig Prozent des Speichers beschädigt, nicht mehr zugänglich oder einfach verschwunden zu sein.
    Tomchin, der neben uns steht, sucht auf einem Teil des Displays nach Informationen und überlässt es uns Übrigen, unsere eigenen Erkundungen anzustellen. Wo liegen unsere Fachkompetenzen? Im technischen Wissen? In der Intuition? Im Programmieren?
    »Mir ist das alles zuwider!«, erklärt mein Zwilling. Ich vernehme seine Stimme über die Ohren, während ich zugleich Spuren seiner Gegenwart im Meer der Informationen ausmachen kann. Ähnlich wie ich, aber auf seine eigene Weise, versucht er sich darin vorzutasten und gerät immer mehr in Wut. »Dazu bräuchten wir mindestens zehn Leute!«
    »Nur dann, wenn tatsächlich noch so viele Informationen existieren, dass man sie nur mit mehreren Leuten
ausfindig machen kann«, erwidert Tomchin. In dieser virtuellen Welt vernehmen wir seine Stimme so, als benutzte er unsere Sprache, daher können wir ihn mühelos verstehen. Er hat sich da drinnen verloren und scheint nach irgendwelchen Orientierungspunkten zu suchen. Plötzlich merken wir, dass er irgendwo im Arbeitsspeicher des Schiffskörpers auf einen abgeschiedenen Speicherbereich gestoßen ist. »Jetzt ist er beschädigt«, sagt er. »Aber früher führte dieser Pfad direkt zum Genpool, zum Lebensdesign.«
    Ja! Diese Wörter, diese Bezeichnungen …
    »Kannst du ihn trotzdem bis dahin verfolgen?«, fragt Nell.
    Ohne zu antworten, taucht Tomchin wieder ab und ist sofort meilenweit von uns entfernt, obwohl er uns körperlich so nahe ist.
    Auch der Spürhund hat sich zu uns gesellt und probiert offenbar einen anderen Zugang zum Speicher aus. »Dieser Schiffskörper hat immer noch einen großen Teil der Informationen des gesamten Schiffs gespeichert«, bemerkt er. Er? Zum ersten Mal fällt mir auf, dass Tsinoy in Wirklichkeit weiblich ist, das geht aus ihrer Erscheinung in der virtuellen Realität deutlich hervor. Das ganze Schiff und dieser Schiffskörper kennen Tsinoy, vertrauen ihr, brauchen sie. Sie ist eine Expertin der Raumnavigation und möglicherweise das wichtigste Mitglied unserer Gruppe. Und aufgrund ihres Designs vermutlich auch diejenige, die die besten Überlebenschancen hat. Stück für Stück fügt sich alles zu einem plausiblen Gesamtbild zusammen. Und dieses
Gesamtbild legt nahe, dass wir anderen die Entbehrlichen sind.
    Tsinoy ruft einen dichten Sternenhaufen auf und zeigt uns, dass es für jeden Stern einen Deskriptor gibt, der aus einer Reihe unterschiedlicher Symbole und Sprachzeichen besteht. »Diese Informationen wurden kontinuierlich auf den neuesten Stand gebracht«, erklärt sie.
    »Alle Kinder des Schiffs sind mit bestimmten Schlüsselinformationen ausgestattet«, wirft Nell ein. »Wir können nur hoffen, dass sie ausreichen, uns irgendwohin zu bringen.«
    Das Rumpeln und Mahlen außerhalb des virtuellen Raums ist nur noch schwach zu hören und stört nicht besonders. Wir gehen davon aus, dass Kim uns rechtzeitig warnt, wenn etwas Schlimmes im Anzug ist. Wir sind voll und ganz damit beschäftigt, den Speicher zu erkunden, das hat jetzt Priorität und vertreibt auch jeden Gedanken an Essen und Trinken.
    Denn vielleicht werden wir bald herausfinden, warum wir überhaupt existieren.

Der Arbeitsspeicher des Schiffskörpers
    T sinoy bemüht sich herauszufinden, wo wir hinfliegen. Als Erstes entdeckt sie, dass das Schiff sich derzeit 439 Lichtjahre von der Erdensonne entfernt befindet. Es gibt auch noch ein anderes, eher allgemeingültiges Maß für die Strecke, die wir mittlerweile zurückgelegt haben – es hat irgendetwas mit den Wellenkämmen hyperlanger Gravitationswellen in der Raumzeit zu tun, aber das ist eine komplizierte Berechnungsart, die sehr viel mathematisches Wissen voraussetzt. Also halten wir uns weiterhin an die Lichtjahre – auch deswegen, weil der Begriff eines Jahres mit so vielen Assoziationen verbunden ist.
    Offenbar wissen mein Zwilling und ich ziemlich viel über unseren Heimatplaneten, die Erde , fast so, als wären wir dort geboren und aufgewachsen. Das ist ebenso erfreulich wie verwirrend, nützt uns derzeit aber kaum etwas.
    Als Tomchin zu uns zurückkehrt, hat er ein weiteres Netzwerkkabel für den Zugang zu abgelegenen Bereichen des Schiffsspeichers besorgt, klinkt

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