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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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irgendwann mal ein Gesicht haben, dem man es abnahm, daß der Mann sich nicht nur mit Machtwörtern auskannte, sondern auch mit der Macht. »Ausputzer klingt gut. Vielleicht ist Ihr Geschäft gar nicht mal so verschieden von meinem.«
    Er winkte einem der Assistenten und ließ sich ein Telefon bringen, das in einen Anschluß eingestöpselt wurde, der neben der Sprossenwand lag. Der Assistent wählte eine Nummer, murmelte etwas und gab seinem Chef den Hörer. Er sagte seinen Namen und fragte, wie es Scheunemann ging, bloß, daß er nicht Scheunemann sagte, sondern ›unser gemeinsamer Freund‹.
    »Das hört sich ja gar nicht mal so schlecht an«, sagte er nach einer Weile. »In ein paar Minuten kommt jemand aus meinem Büro vorbei, es gibt da ein paar Fragen zu besprechen, die bis morgen geklärt sein müssen. Nein, das duldet keinen Aufschub, Professor, Sie wollen doch auch nicht, daß wieder jemand von der Staatsanwaltschaft bei Ihnen rumschnüffelt. Also dann. Der Mann kommt in fünf Minuten. Gute Nacht, Professor.«
    Er legte auf, und der Assistent brachte das Telefon weg.
    Der Mann, der sich mit Machtwörtern auskannte, betrachtete mich noch einmal nachdenklich und ohne die Spur eines Lächelns.
    »Mein Freund Otto hat etwas von einer Familienangelegenheit erzählt«, sagte er schließlich, »und ich habe keinen Grund, an seinem Wort zu zweifeln. Aber eines will ich Ihnen noch sagen, Herr Ausputzer: Paul Scheunemann stammt aus einer Ära, in der ich mit vielen in meiner Partei über Kreuz lag, aber deswegen lasse ich ihn nicht hängen. Ich habe dafür gesorgt, daß Paul die Ruhe und die Pflege bekommt, die er dringend benötigt, ohne daß ihn eine bestimmte journalistische Kanaille belästigt. Für mich ist Loyalität eines der Prinzipien, ohne die unsere Gesellschaft zum Untergang verurteilt ist. Ich weiß nämlich, wie es ist, wenn man darauf angewiesen ist.«
    »Ich auch«, sagte ich, und das brachte ihn so aus dem Konzept, daß er mir nur noch zunickte und sich dann vor einem Sandsack aufbaute. Die Audienz war beendet.
    Kleppinger wollte zurück zum Catchen. Vielleicht zog er die Kommunalpolitik des großen Vladimir der im Fitness-Studio vor. Ich versprach, ihn auf dem laufenden zu halten.
    »Ich hoffe, du hast bei dem Kerl da drinnen jetzt keine Schulden gemacht«, sagte ich, als ich den Honda aufschloß.
    »Bei dem? Wenn der die nächste Wahl verliert, kann er den Rest seines Lebens damit verbringen, die Mitgliedsbeiträge zu kassieren«, sagte Kleppinger und verschwand um die Ecke.
     
    Sie empfingen mich zu dritt – der Nachtportier, die Nachtschwester und Professor Vittinghoff, der aussah, als sei er ohnehin nur nachts unterwegs. Er war groß und hager und hatte eine bleiche Haut, an die zum letzten Mal Sonne gekommen sein mußte, als seine Mutter mit ihm im Bauch durch den Park spazieren gegangen war, und entzündete Augen hinter dicken Brillengläsern und graues Haar, das ihm auf den Kragen seines Arztmantels fiel.
    »Das ist alles höchst irregulär«, sagte er, als ich im Foyer stand, das trübe erleuchtet war und nach Äther roch. »Paul braucht jetzt eigentlich seine Spritze.«
    »Er wird schon keine weißen Mäuse sehen, wenn er seine Spritze zehn Minuten später bekommt«, sagte ich. »Worauf warten wir noch?«
    »Sie müssen sich schon ausweisen, junger Mann«, sagte die Nachtschwester, die ungefähr fünf Jahre jünger war als ich, aber das nützte ihr auch nichts. Sie gehörte zu denen, die alt auf die Welt kommen und immer nur älter werden.
    »Erzählen Sie mir doch keinen Stuß«, sagte ich barsch. »Der Professor hat gerade mit meinem Chefgesprochen.«
    »Jeder, der um diese Uhrzeit die Klinik betritt, muß sich ausweisen«, sagte der Nachtportier, der einfach nur ein alter Mann in einer Uniform war, die selbst bei der Wach- und Schließgesellschaft als verhärmt gegolten hätte.
    »Professor«, sagte ich, »wenn ich in einer Minute nicht mit Paul Scheunemann spreche, dann haben Sie morgen früh einen Aufstand in Ihrem Haus, der Ihre sogenannte Spezialklinik ein Jahr lang nicht mehr aus den Schlagzeilen bringt.«
    Dabei wußten sie natürlich, daß das Machtwort längst gesprochen worden war. Aber stur, wie sie waren, wollten sie unbedingt noch mal in den Arsch getreten werden.
    »Das geht dann schon in Ordnung«, sagte der Professor schließlich. »Aber über Ihren unverschämten Tonfall werde ich mich bei Ihrem Chef beschweren. Eine Schande, aber das kommt eben auch davon, mit welchen

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