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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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Methoden der Mann an die Spitze kommen will.«
    »Solange Sie Ihren Schnitt machen, kann Ihnen das scheißegal sein«, sagte ich.
    Er schob seine Schwester aus dem Foyer, bevor sie mir die Augen auskratzen konnte, und dann blieb ihm nichts anderes übrig, als mich selbst zu Scheunemann zu bringen. Die Klinik lag in einer der kleinen Villen am Rand der Eilenriede, ein altes, winklig gebautes Haus in einem Garten mit Pflaumenbäumen. Die Fenster waren ausnahmslos vergittert, und es war so still im Haus, daß man die Bäume im Stadtwald rauschen hörte. Wir stiegen die Treppe hoch, die knarrte wie die Schloßtreppe in einem englischen Gespensterfilm.
    »Ziemlich still«, bemerkte ich, als wir im ersten Stock in den Korridor einbogen. »Patienten schon alle ruhiggestellt?«
    »Mit Ihnen rede ich nicht«, sagte Professor Vittinghoff.
    »Macht nichts«, sagte ich. »Hauptsache, Ihre Patienten reden, wenn der Laden mal auffliegt.«
    Er blieb vor einer weiß lackierten Tür stehen, die die Zimmernummer 9 trug, und checkte seine Uhr.
    »Sie haben genau zehn Minuten«, sagte er, »dann lasse ich Sie rauswerfen.«
    »Dann rufen Sie schon mal Ihre Anwälte an«, sagte ich und ging ohne anzuklopfen hinein.

6
    Ich stand in einem engen Zimmer mit einem Krankenhausbett, einem Beitisch mit Bettpfanne, zwei Stühlen, einem Wandschrank, einem senffarbenen Teppichboden und einem Tropf, der neben dem vergitterten Fenster stand. Kein Bild an den senffarbenen Wänden, keine Blumen. Die Klause eines armen Mannes oder das Refugium eines Mannes, der auf nichts mehr Wert legte. Auch hier wurde am Licht gespart, aber der Mann, der im Bett lag, die Decken bis zum Kinn hochgezogen, brauchte auch nicht viel Licht. Paul Scheunemann hatte die Augen geschlossen und machte sie erst auf, als ich mir einen Stuhl ans Bett rückte und eine Gitane anzündete.
    »Aschenbecher gibt es keinen«, flüsterte er. »Nehmen Sie den Zahnputzbecher, und geben Sie mir auch eine.«
    Ich holte den Zahnputzbecher vom Waschbecken und gab ihm auch eine. Bevor er sich Feuer geben ließ, roch er an der Zigarette wie ein Süchtiger an einer Prise weißen Pulvers, von dem er hofft, daß es kein Puderzucker ist. Den ersten Zug behielt er so lange in den Lungen, bis er sich dort völlig aufgelöst hatte. Das gab mir Zeit, ihn mir näher anzusehen, aber sein Gesicht verriet nur, daß er ein Mann war, der mit dem Schnaps auf vertrautem Fuß stand – und daß Alkohol auch konservieren kann. Scheunemann mußte an die Sechzig sein, aber sein rotblondes Haar war noch voll und kaum angegraut, seine Haut wirkte gut durchblutet, und die tiefen Kerben auf der Stirn und um den Mund paßten schließlich nur zu seinem Alter – und zu dem, was er in seinem Leben gemacht hatte.
    Er machte noch einen Zug, und dann öffnete er die Augen, und ich konnte ihr klares Blau bewundern. Er blinzelte mir zu.
    »Worum geht’s, junger Mann?«
    »Um Ihre Tochter.«
    »Also um meine ehemalige Frau«, seufzte er und gab mir die halb gerauchte Zigarette. Ich drückte sie aus.
    »Ihre Tochter ist seit einem halben Jahr verschwunden, und Ihre Exfrau macht sich jetzt solche Sorgen, daß sie mich gebeten hat, Miriam zu suchen.«
    »Wieso Sie?«
    »Ich bin Experte in solchen Ermittlungen.«
    »Privatdetektiv?«
    »Journalist.«
    »Ach so. Deswegen sind Sie auch hier reingekommen. Vor Journalisten haben sie alle Schiß. Und in welchem Blatt darf ich dann lesen, wie Sie Miriam gesucht haben? Und alles über die zerrüttete Familie Scheunemann?«
    »In gar keinem«, sagte ich und lockerte meinen Schlips.
    Es war verdammt heiß in dem engen Zimmer, aber Scheunemanns Stirn schien so kühl wie eine Marmorplatte. »Momentan recherchiere ich für ein Buch. Eine Dokumentation über Jugendliche, die von zu Hause weglaufen oder verschwinden. Ihre Motive, und was mit ihnen geschieht. In diesem Zusammenhang ist Ihre Exfrau auf mich aufmerksam geworden.«
    »Hat Sie Ihnen dafür Geld geboten?« Seine blauen Augen fixierten mich. »Oder etwas anderes?«
    »Wir haben ein Erfolgshonorar vereinbart«, sage ich. »Damit könnte ich dann weitere Recherchen finanzieren.«
    »Verstehe. Ich habe nur deswegen gefragt, weil ich aus Erfahrung weiß, daß es besser ist, wenn man für Geld arbeitet anstatt für hehre Ideale – oder für die unsterbliche Liebe. Kenne ich Sie als Journalist?«
    Ich sagte ihm meinen Namen.
    »Die Sache in Bonn«, sagte er mit einem diskreten Lächeln. »Sie sehen, Herr Harder, ich gelte zwar als erledigt,

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