Das Schlangenmaul
wollen.«
Die Bruce-Springsteen-Platte, die er laufen hatte, klickte aus, und ich hatte eine Idee.
»Sollten Sie Herrn Malzan zufälligerweise doch sehen, geben Sie ihm meine Karte. Falls es Ihnen nichts ausmacht.«
Er überflog die Worte, die ich neben meinen Namen gekritzelt hatte. »Bei welcher Versicherung sind Sie denn?«
»Herr Malzan weiß dann schon Bescheid.«
Er steckte sie in seine Gesäßtasche und musterte mich noch mal ausgiebig. Dann: »Okay, Mann. Ich les mal mein Buch weiter.«
»Welches?«
»Weiß nicht, wie’s heißt. Aber der Mann, der es geschrieben hat, ist der Größte. Mickey Spillane.«
»Dann will ich nicht weiter stören«, sagte ich und stieg die Treppe hinunter. Ich hatte das Gefühl, daß der Große mir nachstarrte, bis die Haustür ins Schloß fiel.
Aber dann war er schnell. Ich stand noch neben dem Buchladen auf der anderen Straßenseite und versuchte, ein Taxi zu finden, als er schon aus der Haustür stürmte. Eine schwarze Armyjacke spannte sich um seine Schultern. Er verschwand in der Kantgarage, und während ich immer noch darauf fluchte, daß ich den Honda zurückgegeben hatte, und nach einem freien Taxi Ausschau hielt, schoß der Große in einer weinroten BMW-Limousine aus der Garage und bog dann gleich nach rechts ab – Richtung Bleibtreustraße, immerhin.
Jetzt hielt ein Taxi, aber ich schüttelte den Kopf. Welche Adresse hätte ich dem Fahrer geben sollen? Ich schlenderte von der Kantstraße hinüber zur Bleibtreustraße, und dort hatte ich Glück. Fußgängerglück. Ich entdeckte den weinroten BMW.
Er war vor einem grauen Gebäude mit Stuckverzierungen aus Jugendstiltagen geparkt, das in einem Block zwischen einem Supermarkt und einem indischen Restaurant lag. Ein winziger Vorgarten mit dürrem Gesträuch, ein großes, mit Messing verziertes Portal. In der Eingangshalle – Marmorboden und roter Läufer – studierte ich den stummen Portier. Anwälte, Ärzte, eine Zeitschriftenredaktion, ein Institut für physio-soziale Therapie, ein Verlag, eine Magic Air & Transport GmbH & Co. KG, eine Vishnu Food Products GmbH & Co. KG und, im letzten Stockwerk, der Club Kamasutra.
Berlin war manchmal eine mysteriöse Stadt, aber auch eine praktische. Gleich gegenüber lag ein Café, und ich konnte mich an einen Tisch neben dem Eingang setzen, einen Espresso schlürfen und mich fragen, was physio-soziale Therapie sein mochte, während ich den BMW im Auge behielt – und die Eingangstür. Es war genau fünfzehn Uhr sieben, als der Große aus der Kantstraße erschien. Er war nicht allein. Ein blonder, gut aussehender Mann Mitte Dreißig, etwa meine Größe, neben dem Bierwagen schmächtig, aber immer noch ansehnlich, in einem Kamelhaarmantel, wie sie jetzt wieder schick waren. Ich zahlte, und diesmal fand ich ein Taxi, während der BMW sich noch in den Verkehr einfädelte. Die Jagd war auf.
Mein Fahrer war ein sportlicher Studententyp, lange Haare, Seemannspullover, Lederhose und goldener Ring im Ohrläppchen. Einer von denen, die jede Mark für das Sektfrühstück in der WG und den Shit und die alljährliche Reise nach Sri Lanka oder Goa brauchen. Ich zückte meinen alten Presseausweis.
»Du verdienst dir doch bestimmt gern ein paar Mäuse extra.«
»Was soll’s denn sein?«
»Ich bin Reporter, hinter ’ner heißen Story her. Diesen BMW da vorn, Kennzeichen B-KS 4369, den möchte ich gern absolut bogartmäßig beschatten. Wie lange, weiß ich nicht, aber außer dem, was auf dem Taxameter steht, kriegst du fünfzig Mark extra, wenn du ihn nicht verlierst.«
»Machen wir doch. Für wen ist die Story?«
»Muß auch noch top secret bleiben, aber ich schreibe nur für die großen Blätter.«
»Kapiert. Schickste mir ’n Heft?«
»Sicher.«
»Also gut, Chef, dann wollen wir mal.«
Der Junge hatte den Bogen raus – immer hübsch Abstand halten, aber nie vom Haken lassen. Wir hatten relativ lange Ampelphasen, so daß er sich auch mal zurückfallen lassen durfte, ohne den BMW plötzlich verlieren zu können – vorausgesetzt, die andern merkten nichts. Aber Taxis übersieht man zunächst mal. Wir fuhren an der Gedächtniskirche vorbei, über den Tauentzien, vorbei am KDW und Wittenbergplatz, dann die Bülowstraße zur Potsdamer hoch. Sieht aus, als ob er auf dem Kiez zu tun hätte, dachte ich, aber er blieb auf der Potsdamer und fuhr am Kleistpark vorbei, Hauptstraße Richtung Innsbrucker Platz, Friedenau, Steglitz. Was suchte Malzan denn in dieser öden Gegend? Der
Weitere Kostenlose Bücher