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Das Schlangenmaul

Titel: Das Schlangenmaul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Fauser
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Gesetzlosen.
    »Da vorne ist er!«
    »Jetzt mal keine Hektik. Wo führt diese Straße hin?«
    »Nach Lübars rein.«
    »Und dann?«
    »Tja, dann ist da die Grenze, Mann. Die Mauer.«
    Was zum Teufel trieb Malzan hier? Die Gegend wurde immer ländlicher, zur Linken hatten wir schon Ausblick auf Dorfidylle am See, und nur die Wachtürme am Waldrand störten das Bild – mit Hochständen hatten sie nur sehr entfernt zu tun.
    »Vielleicht haben diese Leute hier ein Pferd«, meinte der Taxifahrer. Ich erinnerte mich: Lübars war bekannt für seine Reitställe. Beliebtes Ausflugsgebiet im Sommer, Ponyreiten, Landspaziergang, Blumenpflücken, und richtige Weizenfelder. Die ersten Pferdeställe tauchten auf, und dann führen wir durch Alt-Lübars, und zwischen uns und dem BMW lag nur noch ein Bus, der an der Kirche hielt, Endstation. Stallungen, Höfe, Gewächshäuser – und nur noch eine Straße vor uns, und 25 Meter Abstand zu dem weinroten BMW, der unbeirrt Richtung Mauer fuhr.
    »Fahr langsam, aber bleib dran.«
    Wir führen durch eine Chaussee, zu beiden Seiten der Straße Mauern aus Laub. Vor uns die Lichter an der Grenze. Welliges Land, Kornfelder, Gärten. Kurz vor der Mauer lag eine Laubenkolonie, eine Ansammlung von Hütten mit Holzschuppen für Hasen, und Hühner in mickrigen Gärtchen. Der BMW bog nach rechts ab und rumpelte langsam an der Kolonie vorbei. Wenn wir jetzt auch noch abbogen, mußte ihnen klar werden, daß wir ihnen gefolgt waren.
    »Was liegt denn da vorne, wo der hinfährt?«
    »Ich bin hier auch zum ersten Mal«, gab der Taxifahrer zu.
    »Woraus ich dir keinen Vorwurf mache. Sieht aber doch so aus, als wenn dahinter nichts mehr käme.«
    »Das Märkische Viertel.«
    »Dann wären sie aber anders gefahren. Bleib du hier und warte. Ein Fußgänger fällt weniger auf.«
    Wir rechneten ab, und ich gab ihm auch schon die 50 Mark Bonus. »Wenn ich in einer Viertelstunde nicht zurück bin, gib Gas.«
    Er sah mich besorgt an. »Bist du sicher?«
    Ich hatte keine Ahnung, ob ich sicher war, aber ich stieg aus, und er wendete und parkte am Straßenrand. Direkt an der Mauer führte ein Fußweg entlang, und ich arbeitete mich langsam am rückwärtigen Rand der Kleingärten vor, über mir die Lichter der Todeszone. Niemand war zu sehen, es roch nach Dung, Hundekot und den Briketts, die die Kleingärtner in ihren Öfen verheizten. Und dahinter die Skyline des Märkischen Viertels.
    Dann stand ich an der Ecke, vor mir freies Land, und rechts führte eine Straße zurück nach Lübars. Es war ein Schotterweg, der keinen Namen trug, nur eine Nummer, zu meiner Rechten lag die Kolonie, zur Linken eine von der Schotterstraße etwas zurückgesetzte Gruppe von flachen, barackenähnlichen Gebäuden hinter einem Drahtzaun – und davor der weinrote BMW mit dem Kennzeichen B-KS 4369.
    Ich blieb stehen und zündete mir eine Zigarette an. In dem BMW saß niemand mehr. In einem der Flachbauten sah ich Licht. An der Ecke lag ein Kinderspielplatz, und zwei dick vermummte Fünfjährige hockten in der Sandgrube und schmierten sich ihre Jacken voll. Keine geeigneten Informanten. Ich ging an ihnen vorbei, und dann dachte ich, Geld kostet was, und ging über die Straße und sah mir die Sache aus der Nähe an. Die drei Flachbauten waren solide Angelegenheiten aus Beton und bildeten ein u-förmiges, zur Straße offenes Viereck mit einem Parkplatz davor. Der Drahtzaun war auch solide, dicht gesetzte mannshohe Holzpflöcke mit Maschendraht, ich tippte auf Militärbestände, und am Eingang, einer schweren Eisentür, hing ein Messingschild, auf dem in schwarzen Lettern stand: FARM FÜR FREIE ENTFALTUNG – Institut für physio-soziale Therapie – Besuch nur nach tel. Vereinbarung. Und ein Wappen, eine stilisierte Schlange, die etwas im Maul hatte, was ich nicht erkennen konnte. Dafür konnte ich etwas anderes erkennen – die Videokamera in einem Aufbau auf der mittleren Baracke, deren glänzendes Auge direkt auf mich gerichtet war.

10
    Jade Beinstein stand an der Bar des Klubs Berliner KrimiFans (KBKF) und schwenkte die neueste Ausgabe des Armchair Detective.
    »Ich sage euch, ich hatte ein Gefühl; als ich das Ding aus dieser Mottenkiste ziehe, ich dachte, ich höre Dashiell Hammett im Grabe husten. Dieser Laden war nun wirklich unterwegs in Sachen Ramsch, Kinder, nichts als zerfledderte Kladden, Rumpelkammern voller vergammelter Comics, Regale mit Lore-Romanen – und mittendrin ein Exemplar der limitierten Erstausgabe von You Only

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