Das Schlangennest
Hammond Hall einnehmen durfte, aber bis jetzt sah es nicht danach aus, als würde dieser Wunsch schon bald in Erfüllung gehen.
"Gute Nacht, Daphne", wünschte Mrs. Forest.
"Gute Nacht", erwiderte die junge Frau. "Bis morgen."
"Mußt du morgen wieder mit Joyce zu Doktor Miller?" Claud ine, die bereits weitergegangen war, kehrte wieder um.
"Ja, am Nachmittag", antwortete Laura. "Joyce wird dreimal pro Woche von Doktor Miller behandelt we rden."
"Ich wünsche mir so sehr, daß wir uns geirrt haben und du recht behältst, Daphne." Mrs. Forest blickte versonnen zum Zi mmer ihrer Nichte. "Ich möchte Joyce wieder als das fröhliche, kleine Mädchen sehen, das sie einst gewesen ist."
"Bis dahin ist noch ein weiter Weg, und wir stehen erst am A nfang", gab Daphne zu bedenken. Sie hätte viel darum gegeben, die wahren Gedanken dieser Frau lesen zu können.
"Ja, das glaube ich auch", seufzte Claudine und ging zur Tre ppe.
12.
Einige Tage später kam Ralph Gregson in Begleitung seines Vaters nach Hammond Hall. An diesem Nachmittag sollte das Testament des Verstorbenen eröffnet werden. Da Sir Richard e rmordet worden war, hatte sich die Testamentseröffnung durch die laufenden Ermittlungen verzögert.
"Siehst aus, als fieberten die Forests und die Hammonds di esem feierlichen Augenblick regelrecht entgegen", bemerkte Ralph zu Daphne, als sie vor der Testamentseröffnung noch einige Minuten Zeit hatten und entlang der Klippen spazierengingen.
"Beim Lunch wurde von nichts anderem gesprochen", erw iderte die junge Frau. "Jeder von ihnen hofft, ein möglichst großes Stück vom Kuchen zugeteilt zu bekommen." Sie schüttelte den Kopf. "Dabei hatte mein Schwager schließlich Kinder. Ich bin überzeugt, daß Bobby und Joyce die Haupterben sind."
"Das ist anzunehmen", gab der Rechtsanwalt zu. "Ich selbst kenne das Testament auch nicht." Er stieß heftig den Atem aus. "Mein Vater hat mir noch immer nicht recht verziehen, daß ich die Verteidigung von Ihrer Schwester übernommen habe. Er meint, ich würde mein Talent an die Fa lsche verschwenden."
"Sobald Lauras Unschuld erwiesen ist, wird Ihr Vater einsehen, wie unrecht er Ihnen getan hat." Daphne blieb stehen und blickte auf das Meer hinaus. "Dies ist so ein wundervolles Fleckchen E rde", meinte sie. "Warum müssen die Menschen ständig einander wehtun?"
"Das frage ich mich oft, ohne eine Antwort darauf zu finden, Daphne", sagte Ralph. "Ich..." Er unterbrach sich scheinbar e rschrocken. "Jetzt habe ich Sie ganz in Gedanken bei Ihrem Vornamen genannt. Hoffentlich sind Sie mir nun nicht böse." Er machte ein betretenes Gesicht und wirkte dadurch wie ein Schulbub, der etwas ausgefressen hatte.
Seine Begleiterin lachte leise auf. "Jetzt sollten Sie sich im Spiegel sehen", bemerkte sie. Leicht berührte sie seinen Arm. "Nein, ich bin Ihnen nicht böse. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie mich bei meinem Vo rnamen nennen."
"Das freut mich. Selbstverständlich müssen Sie dann auch Ralph zu mir sagen."
"Einverstanden." Daphne wurde bewußt, wie glücklich sie sein konnte, einen Mann wie ihn an ihrer Seite zu haben. Auch wenn Ralph noch immer nicht völlig von Lauras Unschuld überzeugt war, er war bereit alles zu geben, um ihr zu helfen.
"Das freut mich." Er griff nach ihrer Hand und führte sie an seine Wange. "Mir hat es nie gefallen, wenn Sie Doktor Gregson zu mir sagten. So etwas tun nur ganz gewöhnliche Klienten."
"Ich bin nicht einmal Ihre Klienten", erinnerte ihn Daphne, wenngleich seine Worte eine Seite in ihr zum Klingen brachten, von der sie bis jetzt keine Ahnung gehabt hatte.
"Aber die Schwester einer Klientin und dazu ein besonders li ebenswerter Mensch", antwortete Ralph und blickte ihr in die Augen. "Gleich, als ich Sie zum ersten Mal sah, spürte ich, daß Sie anders sind, als all die Frauen, die ich bisher kennengelernt habe."
Daphne bemerkte, wie sie errötete. Sie ärgerte sich darüber. "Sie m achen mich ganz verlegen", meinte sie.
"Vielleicht ist das meine Absicht." Der junge Anwalt grinste. "Hübsch sehen Sie aus, wenn Sie etwas Farbe im Gesicht habe." Sanft berührte er mit zwei Fingern ihre Wange.
"Wir sollten zurückgehen", schlug Daphne vor, obwohl sie am liebsten den ganzen Nachmittag mit Ralph bei den Klippen verbracht hätte. "Ich möchte nicht, daß man auf uns wartet. Die Familie ist ohnehin nicht begeistert, daß ich bei der Testamentseröffnung die Kinder vertrete."
"Aber zum Glück ist das Recht auf Ihrer Seite", meinte Ralph und
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