Das Schlangennest
nahm ihren Arm. "Also stürzen wir uns ins Vergnügen. Ich bin gespannt, wie Ihr Schwager seinen Besitz aufgeteilt hat. Vie lleicht gibt es einige lange Gesichter."
Die Testamentseröffnung fand in der Bibliothek statt. Dr. Charles Gregson hatte hinter dem riesigen Schreibtisch nahe des Kamins Platz genommen. Die Angehörigen des Ermordeten saßen im Halbkreis um den Schreibtisch herum.
Als Vertreterin der Kinder befand sich Daphnes Platz in der vordersten Reihe. Sie spürte, wie Ralphs Vater immer wieder prüfend seinen Blick auf ihr ruhen ließ. Scheinbar machte er sich Sorgen, weil sie sich so gut seinem Sohn verstand.
Thomson schloß die Bibliothekstür. "Es wären dann alle anw esend, Sir", sagte er und setzte sich zu den übrigen Angestellten in die zweite Reihe.
Dr. Charles Gregson räusperte sich. Umständlich öffnete er e inen versiegelten Umschlag. Dann las er das Datum des Testaments vor und betonte, daß Sir Richard bei dessen Abfassung bei klarem Verstand gewesen war.
Er blickte auf. "Es ist das einzige Testament, das existiert. Alle früheren Fassungen sind von Sir Richard persönlich vernichtet worden." Erneut räusperte er sich. "Zwei Tage vor seinem Tod bestellte mich Sir Richard für das Wochenende nach Hammond Hall. Er wollte sein Testament erneut ändern lassen, doch durch seine Ermordung ist es nicht mehr dazu geko mmen."
"Mit anderen Worten, dieses Testament ist im Grunde geno mmen nicht der letzte Wille meines Bruders", bemerkte Claudine. Sie sah ihre Verwandten bestürzt an.
"Es ist der letzte gültige Wille", betonte Dr. Gregson.
"Ich würde sagen, beginnen Sie endlich, Doktor Gregson", bemerkte Earl Forest. "Ich habe heute noch einiges zu tun. So ein riesiger Besitz verwaltet sich schließlich nicht von alleine."
"Earl!" Seine Mutter warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
"Ich habe nur ausgesprochen, was wir alle denken", erklärte er unbeeindruckt und lehnte sich zurück.
Dr. Gregson ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen, dann griff er nach dem ersten der engbeschriebenen Blätter. Er räusperte sich ein drittes Mal.
"Ich kann nicht behaupten, daß ihr mir viel Freude gemacht hättet", begann er den letzten Willen des Verstorbenen zu verlesen. "Ständig habt ihr mir auf der Tasche gelegen und dafür gesorgt, daß ich nicht vergessen konnte, für euer Wohl verantwortlich zu sein. Aber so ist nun einmal das Leben und wenn man Herr eines großen Besitzes ist, dann hat man auch eine gewisse Verantwortung für seine nächsten.
Aber zuerst einmal möchte ich die Menschen bedenken, die mir seit Jahren treu gedient haben. Da wären an erster Stelle mein Butler Thomson und unsere Köchin Mistreß Curtis. Ihnen verm ache ich je zwanzigtausend Pfund. Zudem steht ihnen das Recht zu, bis an ihr Lebensende auf Hammond Hall zu wohnen. Dann..."
Es überraschte Daphne, daß ihr ermordeter Schwager an jeden seiner Angestellten gedacht hatte. Sie war immer der Meinung gewesen, daß Sir Richard in seinen Angestellten kaum mehr als lebendes Inventar g esehen hatte.
Nachdem Dr. Gregson die einzelnen Legate verlesen hatte, bat er Thomson dafür zu sorgen, daß die Familie nun unter sich blieb.
"Dein Bruder hat mit seinem Vermögen ziemlich herumgeworfen", raunte Bruno Forest hörbar seiner Frau zu. "Ich bin gespannt, was da noch für uns bleibt."
"Es ist nur recht und billig, daß er auch an unsere Leute g edacht hat", erwiderte Claudine ärgerlich.
"Ich bin gespannt, was wir zu erwarten haben." Mortimer Hammond stieß heftig den Atem aus. "Richard war schon immer für Überraschungen gut."
"Vielleicht hat er sein gesamtes übriges Vermögen Laura hinterlassen", meinte Isabel und warf Ralph Gregson, der hier die Interessen seiner Klientin vertrat, einen kurzen Blick zu. "Wie ist das eigentlich, hat eine Frau, die ihren Mann ermordet hat, Anrecht auf sein Vermögen?"
"Es ist noch lange nicht erwiesen, daß Lady Hammond ihren Mann ermordet hat, Miß Isabel", sagte Ralph. "Ich..."
"Ich würde gerne fortfahren, Ralph." Dr. Charles Gregson warf seinem Sohn einen mißbilligenden Blick zu.
"Wie ich bereits erwähnte, hat mir meine Familie, abgesehen von meinen Kindern, nur wenig Freude gemacht", las er aus dem Testament vor. "Dessen ungeachtet, fühle ich mich verpflichtet, in meinem letzten Willen an sie zu denken.
Meinem Sohn Robert vermache ich Hammond Hall mit allen Ländereien, die dazu gehören. Es wird seine Pflicht sein, dafür zu sorgen, daß der Besitz erhalten bleibt.
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