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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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bedenken. Er hatte sich nicht einmal umgedreht, sondern blieb angespannt und ratlos sitzen.
    »Na, durch einen Zeitsprung verderbe ich es noch nicht, stimmt’s? Sie haben ja selbst gesagt, dass man nicht immer vernünftig handeln sollte...«
    Ich legte mich auf das dämliche Bett für Schwerkranke und begann, die Gurte festzuziehen.
    »Es tut mir sehr leid, dass du schon geboren bist...«, sagte Stasj leise, »du hättest ein echter Ritter des Avalon werden können. Viel Erfolg, Tikkirej. Ich versuche, so schnell wie möglich zum Avalon zu kommen. Und das nicht nur wegen Inej und Neu-Kuweit.«
    Ich nickte, obwohl er mich nicht sehen konnte. Aber er konnte es ja fühlen. Ich holte das Kabel und steckte es in den Shunt. Schaute auf Lion; durch das dunkle Glas schien sein Gesicht lediglich traurig zu sein.
    Es erwies sich als gar nicht so schwer, vor jeder Tat nachzudenken. Ziemlich ungewöhnlich, ziemlich eigenartig. Aber nicht schwer.
    »Viel Erfolg, Stasj«, verabschiedete ich mich und schloss die Augen.

Zweiter Teil
Winter

Kapitel 1
    Als ich mich der Haltestelle näherte, traf mich ein Schneeball am Hinterkopf.
    Ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen! Nicht nur, dass es kalt war, so kalt, dass man spezielle Winterkleidung tragen musste, nein, auch dieser Schnee überall! Ich hatte natürlich davon gehört, aber hören ist etwas ganz anderes als sehen, fühlen und auf Schnee zu laufen.
    Oder ein in der Hand zusammengeballtes Stück Schnee vor die Brust zu bekommen.
    Ich drehte mich um, tänzelte herum, steckte meine Hand in den Kragen und holte den bereits angetauten Schneeball heraus. Rosi und Rossi kamen mir schon entgegengerannt, lachten und schämten sich kein bisschen. Sie waren Zwillinge, aber mit den Namen hatten sie ebenso wenig Glück wie ich.
    »Grüß dich, Tikkirej«, sagte Rosi, »habe ich gut gezielt?«
    »Ja«, bekannte ich. Vom Schneeball blieb ein nasser kalter Fleck hinter dem Kragen übrig, der aber langsam warm wurde.
    »Ich habe ihr gesagt, dass sie es nicht tun soll«, mischte sich Rossi ein, »aber sie ist ein Schwachkopf ohne Bremsen, das weißt du ja.«
    Aus unerfindlichen Gründen war ich davon überzeugt, dass die Idee, mich mit Schneebällen zu bewerfen, eigentlich von Rossi stammte. Wenn er auch leiser und ruhiger als seine Schwester war, so ging die Initiative gewöhnlich von ihm aus.
    »Macht nichts«, erwiderte ich, »ich bin nur nicht daran gewöhnt. Bei uns hat es nie geschneit.«
    »Es ist langweilig ohne Winter!«, rief Rosi aus. Sie konnte nicht eine Sekunde lang ruhig auf einer Stelle stehen. Entweder gestikulierte sie mit den Händen, die in grell orangefarbenen Handschuhen steckten, versteckte sie in den Manteltaschen oder rückte die nach hinten verrutschte Kappe zurecht. Der diesjährige Winter war warm, sagten mir alle. Nur wenig kälter als null Grad.
    Ich fror trotzdem.
    »Kommst du mit?«, schlug Rossi vor. »Wir wollen Karten spielen, uns fehlt der vierte Mann. Iwan kommt noch.«
    »Nein. Ich kann nicht.«
    »Was soll das?«
    Rosi zog mich an der Hand und schaute mir in die Augen. »Du bist beleidigt, stimmt’s? Verzeih mir, ich werde nicht mehr nach dir schmeißen.«
    »Ich muss in zwei Stunden bei der Arbeit sein«, erklärte ich, »heute hab ich Nachtschicht.«
    Rossi maulte: »Ach ja, du bist ein viel beschäftigter erwachsener Mensch.«
    »Ich bin kein Erwachsener«, erwiderte ich, »aber ich habe die Bürgerrechte und muss für meinen Lebensunterhalt sorgen.«
    Es war schon eigenartig, denn wir waren ja gleichaltrig. Wenn ich mir jedoch Rosi und Rossi ansah und auch ihre Mitschüler, dann kam es mir so vor, als wären sie dumme Kinder und ich erwachsen und weise. Vielleicht deshalb, weil ich auf Neu-Kuweit war? Oder weil ich auf Karijer aufgewachsen war? Sie mussten ja noch nie über soziale Dienste und Zahlungen für Lebenserhaltungssysteme nachdenken oder Spione des Inej verfolgen und einem echten Ritter des Avalon helfen. Ihre Eltern lebten, kümmerten sich um sie, liebten sie und halfen ihnen, wenn es nötig war. Und niemand von ihnen musste arbeiten, höchstens zur Aufbesserung des Taschengeldes während der Ferien hinter der Theke von »Mac Robins« stehen.
    »Schade«, meinte Rossi. Er war ein guter Junge, nicht boshaft, obwohl seine Streiche manchmal recht gemein waren. »Dann vielleicht morgen? Morgen ist Feiertag, da kann man machen, was man will.«
    »Na gut«, erklärte ich mich einverstanden, »wir besprechen das am Morgen, okay?«
    Mein Bus

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