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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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kam, ich gab den Zwillingen die Hand und stieg ein. Ich hätte eine Stunde warten und den kostenlosen Schulbus nehmen können. Aber ich hatte es eilig.
    Wie Stasj versprochen hatte, arbeitete ich jetzt für die Phagen des Avalon. Genauer, in einer ihnen gehörenden Gesellschaft, die ein kleines Büro im Zentrum von Port Lance, der avalonischen Stadt, in der ich lebte, betrieb. Es war eine Kleinstadt, nicht wie die Hauptstadt von Avalon, Camelot. Mir gefiel sie aber sehr.
    Sogar im Winter.
    Im Bus hatte ich einen Fensterplatz neben einer pummeligen Dame in einem Mantel aus grauem, synthetischem Pelz. Die Dame schaute ihre Einkäufe durch und rechnete dann etwas auf ihrer Kreditkarte nach. Die Ausgaben stimmten sicherlich nicht, sie schaute immer verbissener. Dann holte sie aus ihrer Tasche eine kleine Schachtel mit Videokassetten, sofort erhellte sich ihre Miene, sie steckte die Kreditkarte weg, legte die Hände in den Schoß und entspannte sich.
    Ich hätte es auch nötig, meine Ausgaben zusammenzuzählen. Ich hatte noch einiges von dem Geld, das mir Stasj auf Neu-Kuweit gegeben hatte, und in drei Tagen sollte ich mein erstes Gehalt bekommen, aber trotzdem. Es erwies sich als äußerst schwer, einen eigenen Haushalt zu führen, alle Rechnungen zu bezahlen, Nahrungsmittel und andere Dinge einzukaufen. Mir ist unklar, wie die Eltern damit zurechtkamen!
    Ich wandte mich zum Fenster und beobachtete die Straßen von Port Lance. Mama hätte es hier gefallen. Gerade wegen des Schnees. Sie meinte immer, dass der Wechsel der Jahreszeiten etwas sehr Wichtiges sei. Bestimmt hätte es auch Papa gefallen.
    Wie ich Karijer hasse!
    Ich hätte ja dort mein ganzes Leben verbringen können, ohne zu ahnen, dass die Welt ganz anders aussah. Und immer noch lebten auf Karijer meine Freunde, dort waren Gleb, Dajka und alle anderen. Wenn es bei ihnen Winter wird, heißt das lediglich, dass die Sonne weniger intensiv scheint. Sie zahlen für die Luft, die sie atmen, erzählen sich gegenseitig Geschichten von bösen Mutanten und schauen alte Unterhaltungssendungen an, da die Administration kein Geld für neue hat.
    Mir war alles klar: Zum Imperium gehören über zweihundert Planeten und überall lebt man anders. Es gibt reiche und gute, wie die Erde, Edem, Avalon; und es gibt solche wie Neu-Kuweit, wo die Natur auch sehr schön ist, aber dem Planeten ein Unglück zugestoßen ist. Und es gibt Planeten wie meine Heimat. Damals wurden sie kolonisiert, weil man die Schwerverbrecher irgendwohin schaffen und radioaktives Erz fördern musste. Irgendwann wurde weniger Erz benötigt, und auch die Verbrecher im Imperium wurden weniger. Karijer geriet in Vergessenheit. Lebt, wie ihr wollt... Ich verstehe alles. Und ich bin sehr traurig.
    »Straße der Fröhlichkeit«, piepste der Lautsprecher am Kopfteil meines Sitzes, »wenn Sie weiterfahren möchten, zahlen Sie bitte zu.«
    Ich hatte nicht vor weiterzufahren, ich wohnte hier. Ich zwängte mich an meiner Nachbarin vorbei und stieg aus.
    In Port Lance sind alle Bezeichnungen sehr malerisch: Straße der Fröhlichkeit, Sonnenallee, Schattenboulevard, Platz des Abends, Uferpromenade der Nebel. Sowie man diese Bezeichnungen hört, weiß man, dass in dieser Stadt nur gute Menschen leben. Man sagt, dass es hier im Frühling sehr schön sein soll, wenn die Kastanien von der Erde und die einheimischen Bäume mit dem lustigen Namen »Nichtsnutze« blühen. Der Nichtsnutz trägt kleine, leichte Früchte, die auf Wärme reagieren. Wenn jemand vorbeigeht, reißen sie sich vom Zweig los und fallen auf den Boden. Die Samen verstreuen sich in alle Himmelsrichtungen und klammern sich für einige Minuten an den vorbeigehenden Menschen oder Tieren fest. Sie sind nicht klebrig, sondern elektrisch geladen.
    Aber das hat noch Zeit. Erst musste der Winter vergehen, bis der Frühling kommen konnte. Und im Frühling würde es wunderschön, da war ich mir sicher.
    Ich ging noch in ein kleines Lebensmittelgeschäft neben unserem Haus und kaufte zwei Fertiggerichte, die preiswert waren und schmeckten, ein Weißbrot und zwei Flaschen Limonade. Die Verkäuferin kannte mich, nickte mir freundlich zu und fragte:
    »Frierst du nicht, Tikkirej?«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nicht sehr kalt.«
    »Geh trotzdem nicht ohne Mütze.«
    »Sie ist in der Tasche«, gab ich zu, »ich bin es nicht gewohnt, etwas auf dem Kopf zu haben.«
    »Gewöhn dich daran, Tikkirej.«
    Die Frau lächelte und wuschelte meine Haare

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