Das Schlangental - Neal Carey 3
Geldpegel stieg auch Neals Wert. Er wurde, was er werden mußte, um ins Innerste zu gelangen: eine Notwendigkeit. Er schaffte die Kohle ran. Was erst als überraschender Segen hingenommen wurde, wurde bald zur Erwartung. Sie wurden Junkies seines Könnens.
Es konnte nicht mehr lange dauern, und er wußte genug über sie, daß sie alle eingebuchtet würden. Er hatte sie dazu gebracht, Verbrechen zu begehen, auf die sie von allein nie gekommen wären. Dann würde er zum Kronzeugen werden, aussagen und abtauchen. Aber noch war es nicht soweit. Er mußte erst noch eindeutig die Verbindung zwischen Hansens Jungs und C. Wesley Carter herstellen. Ed wollte die ganze Enchilada.
Und dann war da natürlich auch noch Cody. Oder genauer genommen: Cody war eben nicht da.
Während der ganzen Wochen, in denen er die Raubüberfälle geplant, geübt und durchgeführt hatte, hatte Neal kein Anzeichen von dem Jungen entdeckt. Er konnte überall sein. Irgendwo bei einer Identity-Familie in Nord-Idaho, in Washington State oder Arkansas, oder unter Obhut einer loyalen Ehefrau in einem heruntergekommenen Wohnwagenpark irgendwo westlich des Missouri. Er konnte auch tot sein.
Diese Möglichkeit aber wollte Neal nicht akzeptieren, obwohl er wußte, daß zumindest Strekker und Carlisle durchaus dazu in der Lage waren, einen Jungen umzubringen, um den Mord an seinem Vater zu vertuschen. Aber das ging über Neals Kräfte. Zu schwer, sich damit auseinanderzusetzen, zuviel, daran zu denken und trotzdem weiterzumachen. Und er mußte weitermachen.
Er wußte, daß es nur noch eine Frage der Zeit war, bevor die Jungs ihn in den inneren Kreis beriefen. Nur eine Frage der Zeit, und es würde nicht mehr viel Zeit beanspruchen, bevor sie ihm alles gäben – sogar ihre Geheimnisse –, nur damit das Geld weiter floß. Aber Zeit war der Feind des jungen Cody McCall, falls er überhaupt noch am Leben war.
Und Zeit ist sicherlich auch ein Feind, wenn man undercover ist. Neal war mittlerweile klar geworden, daß er sozusagen doppelt undercover war, er lebte ein Leben bei den Sons of Seth , und ein weiteres mit den Mills’ und Karen Hawley.
Es war nicht einfach, damit umzugehen: Bei Steve zu arbeiten und dann hinüber zu Hansens Farm zu schleichen, für eine Übung oder eine Trainingsstunde. Zu Brogan’s zu gehen und die Gang in der Ecke zu ignorieren. Bei Wong’s mit Karen zu essen und ihr dann eine Entschuldigung aufzutischen, damit er die Nacht mit dem Wolfsrudel verbringen konnte.
Ein paarmal war es ziemlich knapp, zum Beispiel als er in Strekkers Pick-up nach Reno unterwegs war und gerade noch rechtzeitig Peggys Volvo vom Einkaufen in Fallon zurückkommen sah. Oder als zur Abwechslung Karen bei ihm in der Hütte übernachtet hatte und die Jungs ihn um sechs Uhr morgens zu einem kleinen Trainingslauf in der Dämmerung holten.
Und dann gab es da die Male, als er bei Phil and Margie’s ganz zerschrammt, steif und O-beinig vom Reiten auf dem gottverfluchten Pferd aufgetaucht war.
Dieses verdammte Biest hieß »Midnight«, und es war dem Namen angemessen schwarz, bis hinein in seine bösartige Seele.
»Warum muß ich reiten lernen?« fragte Neal, während er auf der Umzäunung des Pferches saß. Midnight stand in gandhihafter Trägheit neben ihm.
»Vielleicht mußt du es eines Tages können«, entgegnete Bob Hansen kryptisch. »Außerdem ist Midnight das sanfteste Pferd, das wir haben.«
Midnight sah Neal an und wieherte beruhigend. Das Pferd wirkt tatsächlich freundlich, dachte Neal. Es war so klein, wie Pferde überhaupt nur sein können, und dünn dazu. Und es hatte warmherzige Augen.
Neal ließ sich langsam in den Sattel hinab. Midnight wandte den Kopf um, sah ihn an und ruckte sanft an den Zügeln.
»Laß ihn mal drehen, Neal«, drängte Bill McCurdy und grinste den Rest der Gang an.
Neal nahm die Zügel. »Ist das das Steuer?«
Jory öffnete das Tor des Verschlages.
Midnight schaute Neal mit einem sanften Blick an: Bist du bereit?
Neal stieß dem Pferd vorsichtig die Fersen in die Rippen.
Das Pferd raste los, als hätte es eine Rakete im Hintern stecken. Seine »sanften« Augen brannten jetzt in dämonischem Fieber, während es direkt auf den nächstgelegenen Stacheldrahtzaun zurannte.
Neal wollte absteigen, aber das Pferd wirkte jetzt nicht mehr so klein, und der Boden schien weit entfernt zu sein, vor allem bei diesem Tempo. Er hielt sich also einfach fest, während Midnight den Zaun erreicht hatte, nach links abbog und an dem
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