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Das Schlangental - Neal Carey 3

Das Schlangental - Neal Carey 3

Titel: Das Schlangental - Neal Carey 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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war, als er die Scheinwerfer auf den Bach zukommen sah, weil sie dicht beieinander standen, wie bei einem Jeep, und weil er ohnehin angenommen hatte, daß sie kommen würde. Aber trotzdem nahm er sein Gewehr an sich, bevor er hinaus auf die Veranda trat. Er sah den Wagen auf der anderen Seite des Baches halten, er sah das Taschenlampenlicht auf die Hütte zukommen.
    Das Licht war nur noch ein paar Meter entfernt, als er erkannte, daß es wirklich Karen war. Er senkte das Gewehr und trat zurück ins Innere der Hütte. Er packte seine Bücher ein, als sie ohne zu klopfen hereinkam.
    Sie legte sofort los. »Ich bin selber hergekommen, um dir zu sagen, was für ein mieses Arschloch du bist.«
    »Vielen Dank für die Mühe«, sagte er. Er kehrte ihr den Rücken zu und packte weiter. Die Wahrheit konnte er ihr nicht sagen, und höchstwahrscheinlich hätte sie sie ohnehin nicht geglaubt.
    »Mehr hast du nicht zu sagen?«
    Ich hätte jede Menge mehr zu sagen, Karen. Ich könnte dir von der Lektion erzählen, die ich nie zu kapieren scheine: Laß einen Job niemals persönlich werden. Ganz besonders nicht, wenn du undercover arbeitest. Dann tust du nur anderen Menschen weh.
    Und vor allem: Verlieb’ dich nie.
    Er zuckte mit den Achseln, legte eine Jeans aufs Bett, rollte sie sorgfältig auf und packte sie in seinen Rucksack.
    »Steve und Peggy wollen, daß du morgen früh hier verschwunden bist«, sagte Karen.
    »Sag ihnen, sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich will auch hier weg.«
    »Ziehst du zu diesen Rassistenschweinen?«
    »Oink.«
    Er hatte sie zu nahe herankommen lassen, jetzt war es seine Aufgabe, sie weit weg zu jagen. Aus der Gefahrenzone.
    »Willst du überhaupt wissen, wie es Shelly geht?« fragte sie. »Interessiert dich das?«
    »Nicht besonders.«
    Er hatte schon lange gewußt, daß er nicht diesen Job und ein Leben haben konnte. Sein Fehler hatte darin bestanden, zu glauben, daß er den Job als Leben haben könnte.
    »Du hast mich belogen«, sagte sie, und die Wut und der Schmerz waren spürbar in der engen Hütte.
    Undercover zu sein ist eine Lüge, Karen. Man fängt damit an, zu verstecken, wer man ist. Man versteckt es und versteckt es, während man jemand anders ist. Wenn man dann wieder man selbst sein will, kann man sich nicht mehr finden. Wie bei einem kleinen Schatz, den man versteckt, damit er in Sicherheit ist, und lange Zeit später hat man vergessen, wo das Versteck war.
    Karen, wie würde ich es dir sagen, wenn ich könnte? Es ist einfach so, daß man in so viele Rollen schlüpft, daß man nach einer Weile keine eigene mehr hat. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt. Vielleicht hatte ich sowieso nie einen eigenen Charakter.
    Er antwortete ihr nicht, also fragte sie: »Wie lange hast du schon mit denen zu tun? Erst seit kurzem oder schon die ganze Zeit?«
    »Schon bevor ich hergekommen bin«, sagte er, weil dies eine Chance war, sie noch weiter weg zu jagen. »Ich glaube schon seit langem daran, daß wir etwas unternehmen müssen, um unsere weiße Rasse zu retten.«
    »Du ekelst mich an.«
    Bring es zu Ende, dachte Neal. Wenn nicht, brichst du vielleicht zusammen und erzählst ihr die Wahrheit. Shit, wenn es um einen Erwachsenen ginge, einem eigenverantwortlichen Erwachsenen, der irgend etwas vergeigt hätte, würde ich es ihr jetzt sofort sagen. Aber es geht um ein Kind.
    Ein kleiner Junge, der vielleicht noch am Leben ist und nur eine geringe Chance hat, und das muß wichtiger sein. Wenn meine dumme, hirnverbrannte Entschuldigung für ein Leben überhaupt irgendeine Bedeutung hat, dann muß ein Kind wichtiger sein.
    Er wandte sich um und sagte: »Und du ekelst mich an, Judenliebchen.«
    Er sah die Tränen in ihre Augen treten, sah den Schmerz auf ihrem Gesicht.
    »Ich war bereit, dich zu lieben!« brüllte sie. »Ich war bereit, dich zu lieben, und jetzt hasse ich dich! Verstehst du das? Ich hasse dich!«
    Verstehe ich, Karen. »Dann geh’«, sagte er.
    Ihre blauen Augen funkelten wütend. »Fahr zur Hölle, Neal«, sagte sie. Dann ging sie.
    Bin schon unterwegs, Karen.
    Er packte zu Ende und begann den langen, kalten Weg hinüber zu Hansen.

Teil III
Pistoleros
     
9
     
    Neal zitterte in der bitteren Kälte. Der Wind biß sich durch seine Jeansjacke. Neal bohrte sein Kinn ein bißchen tiefer unter den Schafwollkragen und zog sich seinen schwarzen Cowboyhut ein wenig weiter in die Stirn.
    Die Sonne stand als blasser Kreis am klarblauen Winterhimmel. Neal saß oben auf einem Bergrücken auf

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