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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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hinzustellen. Er klappte zusammen: Zwei Tischbeine waren angeknackst. Ich versuchte sie zu richten, so gut ich konnte, stellte den Tisch auf, er blieb einen Augenblick stehen, dann fiel er wieder um. Der Teppich war nass von Wein und Kotter. Ich sah eine Weinflasche am Boden liegen. Es war noch ein bißchen drin. Ich trank es und sah mich nach mehr um. Nichts. Es gab nichts mehr zu trinken. Ich machte die Kette an die Tür. Ich entdeckte eine Zigarette, zündete sie mir an, stellte mich ans Fenster, sah hinunter auf die Temple Street. Es war eine angenehme Nacht draußen. Dann klopfte jemand an die Tür. »Mr. Chinaski?« Es war Mrs. Kansas. Sie war nicht allein. Ich hörte flüsternde Stimmen. Sie hatte ihre kleinen dunkelhäutigen Freunde dabei. »Mr. Chinaski?« »Ja?« »Ich möchte mal in Ihr Zimmer.« »Wozu?«
    »Die Bettwäsche wechseln.« »Das geht nicht. Mir ist schlecht.« »Ich will nur die Bettwäsche wechseln. Es dauert nur ein paar Minuten.« »Nein, Sie können jetzt nicht rein. Kommen Sie morgen früh.«
    Ich hörte, wie sie tuschelten. Dann gingen sie den Flur hinunter. Ich setzte mich aufs Bett. Ich brauchte dringend einen Schluck. Es war Samstagnacht, und die ganze Stadt war betrunken. Vielleicht konnte ich mich unbemerkt verdrücken ? Ich ging zur Tür, öffnete sie einen Spalt, ließ die Kette dran und spähte hinaus. Auf der obersten Treppenstufe kniete ein Filipino mit einem Hammer in der Hand. Es war einer der beiden Freunde von Mrs. Kansas. Er schaute hoch, grinste mich an und schlug einen Nagel in den Teppichläufer, als müsse er ein loses Ende befestigen. Ich machte die Tür zu.
    Ich ging im Zimmer auf und ab und überlegte, wie ich zu einem Drink kommen sollte. Warum konnten alle auf der Welt etwas zu trinken bekommen, nur ich nicht? Wie lange würde ich in diesem Zimmer noch ausharren müssen? Ich machte noch einmal die Tür auf. Wieder dasselbe. Er schaute hoch, grinste mich an und schlug wieder einen Nagel ein. Ich drückte die Tür zu.
    Ich holte den Koffer vom Schrank und fing an, meine paar Sachen hineinzuwerfen. Von meinem Spielgewinn hatte ich noch einiges übrig, aber ich wusste, dass ich damit den Schaden an der Einrichtung niemals bezahlen konnte. Ich wollte es auch gar nicht. Es war wirklich nicht meine Schuld gewesen. Sie hätten die Schlägerei ja stoppen können. Und den Spiegel hatte Becker zerbrochen.
    Meine Sachen waren gepackt. Ich hatte den Koffer in der einen Hand, die Reiseschreibmaschine in der anderen. Vor der Tür blieb ich eine Weile stehen. Ich sah hinaus. Er war immer noch da. Ich machte die Kette ab. Dann riss ich die Tür auf, stürzte hinaus und rannte zur Treppe.
    »Hey! Wo willst du hin?« fragte der kleine Kerl. Er kniete noch halb am Boden und begann den Hammer zu heben. Ich schwang die Schreibmaschine und knallte sie ihm seitlich an den Kopf. Es gab ein fürchterliches Geräusch. Dann war ich die Treppe hinunter, rannte durch den Hausflur und hinaus auf die Straße. Vielleicht hatte ich den Kerl umgebracht.
    Ich lief die Temple Street hinunter. Nach einer Weile sah ich ein Taxi. Es war leer. Ich warf
mich hinein.
»Bunker Hill«, sagte ich. » Schnell !«

    56

    Am Fenster einer Pension sah ich ein Schild: Zimmer frei . Ich ließ den Fahrer halten, gab ihm sein Geld, ging ein paar Stufen hoch und drückte auf die Klingel. Von meinem Boxkampf hatte ich ein blaues Auge und an der anderen Augenbraue einen Riss, meine Nase war geschwollen, meine Lippen waren aufgeplatzt. Mein linkes Ohr war knallrot, und wenn ich es anfasste, durchzuckte mich jedes mal ein stechender Schmerz.
    Ein alter Mann kam an die Tür. Er trug ein Unterhemd, dem man ansah, dass er Chili und
Bohnen gegessen hatte. Sein Haar war grau und ungekämmt, er hatte eine Rasur nötig, und er
paffte eine nasse Zigarette, die stank.
»Sind Sie der Besitzer?« fragte ich.
»Yep.«
»Ich brauche ein Zimmer.«
    »Haben Sie Arbeit?«
»Ich bin Schriftsteller.«
»Sie sehn nicht wie ein Schriftsteller aus.«
»Wie sehn die denn aus?«
Er antwortete nicht.
Dann sagte er: »Zweifünfzig die Woche.«
»Kann ich mir’s mal ansehen?«
Er rülpste. »Kommen Sie mit«, sagte er.
Wir gingen durch einen langen Flur. Einen Teppichläufer gab es hier nicht. Die Dielen
quietschten bei jedem Schritt und bogen sich durch. Aus einem der Zimmer hörte ich eine
männliche Stimme:
»Lutsch mir einen runter, du Stück Scheiße!«
»Drei Dollar«, sagte eine Frauenstimme.
»Drei Dollar? Dir ramponier ich gleich den

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