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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Batter auf die Platte zu bringen. Unsere
Fünftkläßler gingen rüber und forderten die
Burschen zu einer Schlägerei heraus. Sogar aus der vierten Klasse
rannte einer rüber und knöpfte sich einen von ihnen vor. Die
Mirandas griffen sich ihre Matchsäcke und machten sich aus dem
Staub. Wir scheuchten sie die ganze Straße rauf.

    Nun gab es nichts mehr zu tun, also leisteten
sich zwei von unseren Jungs einen Boxkampf. Der war sehenswert. Sie
hatten gerade blutige Nasen und waren richtig in Fahrt, als ein Lehrer
dazwischenging, der dageblieben war, um sich das Spiel anzusehen. Er
wußte gar nicht, wie knapp er selber einem Kinnhaken entging.

    12

    Eines Morgens in aller Herrgottsfrühe nahm
mich mein Vater auf seine Milchtour mit. Es gab inzwischen keine
Pferdefuhrwerke mehr. Sie fuhren die Milch jetzt mit Lieferwagen aus.
Als er den Wagen in der Molkerei beladen hatte, klapperten wir seine
Route ab. Es gefiel mir, schon so früh am Tag unterwegs zu sein.
Der Mond stand noch am Himmel, und ich konnte die Sterne sehen. Ich
fror ein bißchen, aber es war aufregend. Ich fragte mich, warum
er mich mitnahm, denn schließlich verprügelte er mich doch
ein- oder zweimal in der Woche mit seinem Lederriemen, und wir kamen
nicht miteinander aus.
    Bei jedem Kunden sprang er heraus und stellte ein
oder zwei Flaschen Milch vor die Haustür. Manchmal war es auch
Quark oder Buttermilch oder Butter, und ab und zu auch mal eine Flasche
Orangensaft. Die meisten Leute hatten in ihren leeren Flaschen einen
Zettel, auf dem stand, was sie haben wollten. Mein Vater fuhr durch die
Gegend, hielt an, erledigte Bestellungen und startete wieder.
»Okay, mein Junge, in welche Richtung fahren wir jetzt?«
»Norden.«
    »Richtig. Wir fahren nach Norden.«
    Weiter ging es, die Straßen rauf und runter, von einem Stop zum nächsten.
»Okay, und wohin fahren wir jetzt?«
»Nach Westen.«
»Nein, wir fahren nach Süden.«
Schweigend ging es wieder eine Strecke weiter.
»Angenommen, ich setz dich hier raus und laß dich auf dem Bürgersteig stehen — was
würdest du machen?«
»Keine Ahnung.«
»Ich meine, von was würdest du leben?«
»Na, wahrscheinlich würde ich einfach die Strecke zurückgehen und den Orangensaft und die
Milch trinken, die du vor die Haustüren gestellt hast.«
»Und dann?«
    »Dann würd’ ich mir einen
Polizisten suchen und ihm sagen, was du gemacht hast.« »Ach
nee! Und was würdest du ihm sagen?«
    »Ich würde ihm sagen, daß du mir
erzählt hast, Westen wäre Süden, bloß weil du
gewollt hast, daß ich mich verlaufe.«
    Die Sonne ging auf. Bald waren alle Bestellungen erledigt, und wir gingen zum Frühstück in
ein Cafe. Die Kellnerin kam an den Tisch. »Hallo, Henry«, sagte sie zu meinem Vater.
»Hallo, Betty.«
»Wer ist der Junge?« wollte sie wissen.
»Das ist der kleine Henry.«
»Er sieht dir täuschend ähnlich.«
»Ja, bloß hat er nicht meinen Verstand.«
»Da kann er von Glück sagen.«
Wir bestellten Rührei mit Schinken. Als wir aßen, sagte mein Vater: »Jetzt kommt der
schwierige Teil.«
»Was ist das?«
»Ich muß das Geld eintreiben, das mir einige Leute schulden. Manche wollen nicht zahlen.«
»Sie sollten aber zahlen.«
»Das sag ich ihnen ja auch.«
    Wir beendeten das Frühstück und fuhren
wieder los. Mein Vater stieg aus und klopfte an Haustüren. Ich
hörte, wie er sich laut beschwerte:
    »Was glauben Sie denn, verdammt nochmal,
von was ich satt werden soll? Sie haben die Milch auf geschleckt, und
jetzt wird’s Zeit, daß Sie das Geld ausspucken!«
    Er hatte für jeden einen anderen Spruch. Manchmal kam er mit dem Geld zurück, manchmal nicht.
    Dann sah ich ihn den Weg zu einer Bungalow-Anlage
hochgehen. Eine Tür wurde geöffnet, und es erschien eine Frau
in einem seidenen Kimono, der von einem nachlässig gebundenen
Gürtel nur notdürftig zusammengehalten wurde. Sie rauchte
eine Zigarette.
    »Hör mal, Baby, ich muß das Geld
haben. Du hast bei mir mehr Schulden als sonst jemand!« Sie
lachte ihn einfach aus.
    »Schau her, Baby, gib mir wenigstens die
Hälfte. Mach ‘ne Anzahlung, damit ich was vorweisen
kann.« Sie blies einen Rauchring, langte hoch und zerteilte ihn
mit dem Zeigefinger.
    »Hör mal, du mußt zahlen«,
sagte mein Vater. »Du bringst mich in eine peinliche Lage.«
»Komm rein«, sagte die Frau. »Dann reden wir mal
drüber.«
    Er ging hinein, und die Tür fiel ins
Schloß. Er blieb sehr lange drin. Die Sonne stand schon ziemlich
hoch, als er wieder herauskam. Die Haare

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