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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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die
schwierigste Position. Ich ging auf meinen Platz. Ich wußte,
daß sie versuchen würden, mich abzuschießen. Der
Pitcher rollte den Ball betont langsam, und der erste Spieler auf der
Platte kickte ihn genau auf mich zu. Der Ball kam mit einiger Wucht, in
Brusthöhe, aber das war kein Problem. Er war schließlich
groß genug. Ich streckte die Hände aus, bekam ihn zu fassen
und warf ihn dem Pitcher zu. Der nächste Spieler machte es
genauso. Diesmal kam der Ball ein bisschen höher. Und noch
rasanter. Auch kein Problem. Dann ging Stanley Greenberg zur Platte.
Pech für mich. Der Pitcher rollte den Ball, und Stanley trat ihn.
Das Ding schoß wie eine Kanonenkugel auf mich zu, in
Kopfhöhe. Ich wollte mich instinktiv ducken, aber ich tat es
nicht. Der Ball knallte mir zwischen die Hände, und ich hielt ihn
fest. Dann rollte ich ihn lässig zum Pitcher hinüber. Drei
Gegner abserviert. Ich trottete zur Seitenlinie. Unterwegs kam einer an
mir vorbei und sagte: »Chinaski, der große Shitstop!«
    Es war der Kerl mit der Brillantine, dem die
langen schwarzen Haare aus den Nasenlöchern wuchsen. Ich fuhr
herum. »Hey!« sagte ich. Er blieb stehen. Ich starrte ihn
an. »Nochmal machst du mich nicht so an!« Ich sah ein
ängstliches Flackern in seinen Augen. Er ging raus auf seine
Position, und ich verließ das Spielfeld und lehnte mich an den
Zaun. Mein Team stellte den ersten Kicker auf die Platte, und die
anderen gingen vom Platz. Keiner stellte sich zu mir, aber das machte
mir nichts aus. Ich gewann allmählich an Boden.
    Es war seltsam und schwer zu begreifen: Wir waren
hier in der ärmsten Schule, wir hatten die ärmsten und am
wenigsten gebildeten Eltern, die meisten von uns bekamen nur
entsetzlich dürftiges Essen, und doch waren wir alle viel
größer und stärker als die Jungs von den übrigen
Grundschulen der Stadt. Unsere Schule war berühmt. Wir waren
gefürchtet.
    Die Mannschaft unserer sechsten Klasse brachte
ihren Gegnern aus den sechsten Klassen der anderen Schulen die
schlimmsten Niederlagen bei. Besonders im Baseball. Ergebnisse wie
14:1, 24:3, 19:2. Unsere hatten einfach den Bogen raus.
    Eines Tages wurden sie vom Team einer Junior High
School — Miranda Bell — zu einem Match herausgefordert. Die
waren gerade Stadtmeister in ihrer Altersstufe. Irgendwie wurde Geld
gesammelt, und jeder unserer Spieler bekam eine nagelneue blaue
Mütze mit einem weißen »D« vorne drauf. Unser
Team sah richtig gut aus mit diesen Mützen. Als die von Miranda
Bell anrückten, die Siebtkläßler, die Champions, sahen
unsere aus der sechsten Klasse die Burschen nur an und lachten. Unsere
Spieler waren größer, sie wirkten härter, sie gingen
sogar anders. Sie hatten etwas, was die anderen nicht hatten. Auch wir
Jüngeren lachten nur. Wir wußten, daß die hier nichts
zu bestellen hatten.
    Die Mirandas wirkten viel zu schnöselig. Sie
waren sehr still. Ihr Pitcher war ihr größter Spieler. Er
ließ unsere ersten drei Bauer aussteigen, und das waren einige
unserer besten. Aber wir hatten ja noch Lowball Johnson. Lowball machte
dasselbe mit denen. So ging das eine Weile, beide Seiten schlugen
daneben oder machten mal einen kleinen >Grounder<, und
gelegentlich gab es auch einen Treffer, der für einen Run bis zur
First Base reichte, aber weiter nichts. Dann, gegen Ende des siebten
Innings, holte Beefcake Cappalletti mit dem Schläger aus, traf und
schmetterte den Ball in die Gegend. Mein Gott, man hörte es
richtig knallen! Es sah aus, als würde der Ball bis rüber zum
Schulgebäude fliegen und eine Fensterscheibe zerschmettern. Noch
nie hatte ich einen Ball so abzischen sehen. Er traf den Fahnenmast,
ganz oben, und fiel aufs Spielfeld zurück. Ein leichter Home Run.
Cappalletti drehte seine Runde. Und unsere Jungs sahen gut aus mit
ihren neuen blauen Mützen und dem weißen »D«
vorne drauf.
    Danach gaben die Mirandas einfach auf. Sie
wußten nicht, wie sie sich erwehren sollten. Sie kamen aus einem
reichen Viertel. Sie wußten nicht, was es hieß, sich wieder
hochzukämpfen. Unser nächster Batter hatte zwei Treffer. Wir
schrien uns die Kehle heiser. Das war das Aus für die anderen. Sie
konnten nichts mehr tun. Unser nächster Bauer traf dreimal. Die
anderen wechselten ihren Pitcher aus. Er verschaffte unserem
nächsten Spieler prompt einen Spaziergang. Der nächste Batter
hatte einen Treffer. Als das Inning vorüber war, hatten wir neun
Runs gemacht.
    Im achten Inning bekamen die Mirandas nicht mal
eine Chance, ihren

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