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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Köpfchen an ihre Schulter kuschelte und seine Löckchen zwirbelte und auch noch manches andere an ihm…
    Die Mädchen in der Klasse, die immer alles zu wissen schienen, tuschelten ständig darüber. Sie mochten zwar Miss Gredis nicht besonders, aber sie fanden, daß es ganz erklärlich und in Ordnung war, denn Harry Waiden war doch so ein zerbrechliches Genie und brauchte soviel Zuwendung, wie er nur irgend kriegen konnte. Ich paßte Harry Waiden erneut auf dem Korridor ab.
    »Dir ramponier ich den Arsch, du Schnösel! Du kannst mir nichts vormachen!«
    Harry sah mich an. Dann sah er mir verdutzt über die Schulter und zeigte irgendwohin und sagte: »Was ist denn das da?«
    Ich sah über die Schulter. Als ich mich wieder umdrehte, war er weg. Er saß im Klassenzimmer, umgeben von den Girls, die ihn vergötterten und für ein Genie hielten. Und weiter wurde davon geflüstert, daß Harry Waiden angeblich jede Nacht in den Armen von Miss Gredis verbrachte. An manchen Tagen erschien er überhaupt nicht zum Unterricht. Für mich waren das die besten Tage, denn da hatte ich es nur mit dem Wichser da hinten zu tun und nicht auch noch mit dem goldenen Lockenköpfchen und seiner abgöttischen Verehrung durch all diese kleinen Mädchen mit ihren Röcken und Pullis und gestärkten Baumwollkleidern. Wenn Harry nicht da war, tuschelten sie immer: »Er ist einfach zu zart und empfindlich …«
    Und Red Kirkpatrick sagte jedesmal: »Die fickt ihn noch zu Tode.«
    Eines Nachmittags kam ich ins Klassenzimmer, und der Platz von Harry Waiden war leer. Ich sagte mir, daß er mal wieder ausspannte, wie gewöhnlich. Dann kam die Nachricht durch, von Bank zu Bank. Ich war immer der letzte, der etwas erfuhr. Endlich kam die Botschaft auch zu mir durch: Harry Waiden hatte sich aufgehängt. In der letzten Nacht.
    Miss Gredis wußte es noch nicht. Ich sah hinüber zu seinem Platz. Da würde er nun nie mehr sitzen. All diese farbenprächtigen Klamotten - pfft. Miss Gredis ging die Anwesenheitsliste durch. Dann setzte sie sich vorne auf die Bank und schlug die Beine übereinander. Heute waren ihre Seidenstrümpfe heller als je zuvor. Ihr Rock war ihr an den Schenkeln hoch hinaufgerutscht.
    »Unsere amerikanische Kultur«, begann sie, »ist zu Großem bestimmt. Die englische Sprache, heute noch so beengt durch Regelwerk und Konvention, wird neu erfunden und ausgestaltet werden. Unsere Schriftsteller werden eines Tages etwas schreiben, das ich einmal als Americanese bezeichnen möchte …«
    Ihre Strümpfe waren beinahe fleischfarben. Es war, als habe sie gar keine an, als sitze sie nackt vor uns. Daß es nur diesen Anschein hatte, machte alles noch besser als sonst. »Mehr und mehr werden wir unsere eigenen Wahrheiten entdecken und unsere eigene Art zu reden, und diese neue Stimme wird unbeeinträchtigt sein von alten historischen Gewohnheiten und Gebräuchen, von alten überlebten Erwartungen und Träumen …« Fump, fump, fump, fump …

    25

    Curly Wagner nahm sich Morris Moscowitz vor. Es war nach der Schule, und acht oder zehn von uns Jungs hatten davon gehört und gingen hinter die Turnhalle, um den Kampf anzusehen. Wagner verkündete die Regeln: »Also wir schlagen uns, bis einer schreit, daß er aufgibt. «
    »Mir recht«, sagte Morris. Morris war ein hochgewachsener dürrer Bursche, ein bißchen dumm, aber er sagte nie viel und ließ einen in Ruhe.
    Wagner sah zu mir herüber. »Und wenn ich mit dem hier fertig bin, nehm ich dich ran!«
»Mich, Trainer?«
»Ja, dich, Chinaski!«
Ich grinste ihn höhnisch an.
    Ich werde euch Burschen Respekt beibringen, verdammt nochmal, und wenn ich jeden einzelnen von euch verprügeln muß!«
    Wagner war ein rauflustiger Mensch. Er trainierte immer am Barren oder machte Überschläge auf der Matte oder rannte um den Sportplatz. Er stelzte arrogant durch die Gegend, aber seinen Bauchansatz hatte er nach wie vor. Mit Vorliebe baute er sich vor einem auf und starrte einen an, als sei man ein Haufen Scheiße. Ich wußte nicht, was ihn an uns störte. Wir machten ihn offenbar unsicher. Ich glaube, er dachte, wir würden die ganzen Girls ficken und er müßte sich deshalb unangenehme Gedanken machen.
    Sie nahmen Aufstellung. Wagner hatte ein paar gute Bewegungen drauf. Er eierte hin und her, duckte ab, zeigte Beinarbeit, ging ran und wieder auf Distanz und gab zischende Laute von sich. Er war beeindruckend. Er erwischte Moscowitz mit drei linken Geraden. Moscowitz stand einfach da und ließ die Arme

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