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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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nach vorn zur Straße und trabte in südlicher Richtung hinunter wie jemand, der Langlauf trainiert. Ein Blick nach hinten zeigte mir, daß Mr. Pirozzi nirgends zu sehen war, aber ich trabte trotzdem weiter.
    Ob er weiß, daß ich es war? Wenn er es meinem Vater sagt, bin ich geliefert. Aber vielleicht hat er nur seinen Hund zu einem Schiß rausgelassen? …
    Ich lief hinunter zum West Adams Boulevard und setzte mich an der Straßenbahnhaltestelle auf die Bank. Dort blieb ich etwa fünf Minuten sitzen, dann ging ich zurück. Als ich zuhause ankam, waren meine Eltern noch nicht da. Ich ging rein, zog mich aus, knipste das Licht aus und wartete auf den Morgen …
    An einem anderen Mittwochabend war ich mit Baldy unterwegs, und wir nahmen gerade unsere gewohnte Abkürzung zwischen zwei Wohnblocks. Wir wollten dem Weinkeller seines Vaters einen Besuch abstatten. Da blieb Baldy plötzlich vor einem Fenster stehen. Innen war das Rollo fast unten, aber nicht ganz. Baldy bückte sich und linste rein. Er winkte mich heran. »Was ist?« flüsterte ich. »Schau doch!«
    Ein Mann und eine Frau lagen im Bett. Nackt. Das Laken bedeckte sie nur zum Teil. Der
Mann versuchte die Frau zu küssen, aber sie schob ihn immer wieder weg.
»Verdammt, laß mich doch ran, Marie!«
»Nein!«
»Aber ich bin heiß! Bitte!…«
»Nimm deine gottverdammten Pfoten weg!«
»Aber Marie! Ich liebe dich doch!«
»Du und deine beknackte Liebe …«
»Marie. Bitte …«
»Hörst du endlich auf?«
Der Mann drehte sich zur Wand. Die Frau nahm eine Illustrierte in die Hand, schob sich ein
Kissen in den Nacken und begann zu lesen.
Baldy und ich gingen weiter.
»Mensch, so eine Pleite«, sagte Baldy. »Zum Kotzen!«
»Ich hab gedacht, wir kriegen was zu sehen«, sagte ich.
    Als wir den Weinkeller erreichten, stellte sich heraus, daß sein alter Herr an der Kellertür ein großes Vorhängeschloß angebracht hatte.
    Wir versuchten an jenem Fenster noch öfter unser Glück, doch wir bekamen nie etwas Handfestes zu sehen. Es war jedesmal dasselbe:
    »Marie, jetzt isses schon so lange her. Wir leben zusammen, verstehst du. Wir sind
verheiratet.«
»Jaja, und wie! Scheißspiel.«
»Bloß dieses eine Mal, Marie, dann laß ich dich ja wieder in Ruhe. Dann laß ich dich ganz
lange in Ruhe. Ehrlich.«
»Hör auf! Du machst mich krank!«
Baldy und ich gingen weg.
»Scheiße«, sagte ich.
»Scheiße«, sagte er.
»Ich glaub, der hat gar keinen Schwanz«, sagte ich.
»Braucht auch keinen, so wie’s aussieht«, sagte Baldy.
Wir gaben es auf und gingen nie mehr hin.

    27

    Wagner war noch nicht fertig mit uns. Als ich während der Sportstunde auf dem Schulhof
herumstand, kam er zu mir her.
»Was machst du, Chinaski?«
»Nichts.«
»Nichts?«
Ich schwieg.
»Warum beteiligst du dich nicht an einem Spiel?«
»Scheiße. Das ist was für kleine Kinder.«
»Ich teile dich bis auf weiteres zum Papiersammeln ein.«
»Wegen was? Was hab ich verbrochen?«
»Faulenzen. Fünfzig Strafpunkte.«
    Die Strafpunkte mußte man in der Abfallkolonne abarbeiten. Wenn man mehr als zehn Strafpunkte hatte und sie nicht abarbeitete, wurde man nicht in die Oberstufe versetzt. Mir war es egal, ob ich versetzt wurde oder nicht. Das war denen ihr Problem. Wenn sie mich nicht auf die Senior Highschool ließen, würde ich eben dableiben, älter und älter werden, größer und größer. Ich würde die ganzen Mädchen kriegen.
    »Fünfzig Strafpunkte?« sagte ich. »Das ist alles, was Sie mir geben? Warum nicht hundert?« »Na schön, hundert. Ganz wie du willst.«
    Wagner stelzte davon. Peter Mangalore hatte fünfhundert Strafpunkte. Ich lag jetzt an zweiter Stelle. Und holte auf …
    Am nächsten Tag trat ich mit Peter Mangalore während der letzten dreißig Minuten der
Mittagspause zum Müllsammeln an. Es war einfach. Wir trugen eine Mülltonne durch die
Gegend, und jeder hatte einen langen Stecken mit einem Nagel vorne dran. Wir spießten
Papier und Abfälle auf und streiften es am Rand der Mülltonne ab. Die Mädchen beobachteten
uns. Pete sah gelangweilt drein, und ich tat so, als sei mir alles piepe. Die Mädchen wußten
Bescheid. Wir waren schlecht.
»Kennst du Lilly Fischman?« fragte Pete.
»Oh, und ob.«
»Sie ist keine Jungfrau mehr.«
»Woher willst du das wissen?«
»Sie hat’s mir erzählt.«
»Wer hat sie denn entjungfert?«
»Ihr Vater.«
»Hmm. Tja. Kann man ihm nicht verdenken.«
»Lilly hat gehört, daß ich ‘n großen Schwanz hab.«
»Yeah. Das weiß die ganze Schule.«
»Sie will

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