Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
Hemdschultern, aber das half nur wenig.
Einmal blieb der Offizier beim Waffenappell vor mir stehen. Er nahm mir das Gewehr aus der Hand, hielt es hoch und spähte durch den Lauf, um zu sehen, ob Fussel oder Staub drin waren. Er gab es mir zurück, und dann sah er einen Blutfleck auf meiner rechten Schulter. »Chinaski!« bellte er. »Aus ihrem Gewehr läuft Öl!« »Ja, Sir.«
Ich brachte das erste Jahr hinter mich, aber mein Ausschlag wurde schlimmer und schlimmer. Die Pickel in meinem Gesicht waren jetzt so groß wie Walnüsse. Ich schämte mich in Grund und Boden. Manchmal stellte ich mich zuhause im Badezimmer vor den Spiegel und drückte einen auf. Gelber Eiter spritzte heraus und klatschte an den Spiegel. Oder es kam eine weißliche geronnene Masse heraus, wie bei Mitessern. Auf eine schauerliche Weise war es faszinierend, daß da all dieses Zeug drin war. Doch ich wußte, wie schwer es den anderen fiel, mich anzusehen.
Die von der Chelsey müssen meinem Vater wohl einen Wink gegeben haben, denn am Ende des ersten Jahres wurde ich von der Schule genommen. Ich legte mich ins Bett, und meine Eltern rieben mich mit Salben ein. Es gab da eine braune stinkende Salbe, die mein Vater besonders gut für mich fand. Sie brannte nämlich. Er verlangte, daß ich sie viel länger drauf ließ, als es auf dem Beipackzettel empfohlen wurde. An einem Abend mußte ich sie stundenlang drauflassen. Ich fing an zu schreien, rannte ins Bad, ließ Wasser ein und wusch mir die Schmiere unter großen Schwierigkeiten ab. Alles war verbrannt. Gesicht, Rücken, Brust. Ich konnte mich nicht mehr hinlegen und mußte auf der Bettkante sitzen. Mein Vater kam zu mir herein. »Ich dachte, ich hab dir gesagt, du sollst das Zeug dranlassen!«
»Sieh dir mal an, was passiert ist«, sagte ich. Meine Mutter kam herein.
»Der Mistkerl will gar nicht gesund werden«, sagte er zu ihr. »Warum muß ich nur so einen Sohn haben!« Kurz danach verlor meine Mutter ihren Job. Mein Vater stieg weiterhin jeden Morgen in sein Auto, als fahre er zur Arbeit. »Ich bin Ingenieur«, erzählte er den Leuten. Ingenieur hatte er immer werden wollen. Sie vereinbarten für mich einen Termin im Kreiskrankenhaus und drückten mir eine längliche weiße Karte in die Hand. Damit stieg ich in eine Straßenbahn der Linie 7. Der Fahrpreis betrug einheitlich sieben Cents und ermäßigte sich noch etwas, wenn man ihre speziellen Münzen erstand - vier Stück für 25 Cents. Ich warf meine Münze in den Apparat, drückte mich durchs Drehkreuz und setzte mich ziemlich hinten auf einen Fensterplatz. Ich fuhr immer gern mit der Linie 7. Die Bahn fuhr sehr schnell und schlingerte hin und her. Draußen schien die Morgensonne. Ich war auf 8.30 Uhr bestellt. Nach einigen Haltestellen stiegen eine dicke Frau und ein Junge von etwa vier Jahren zu. Sie setzten sich in die Reihe hinter mir. Ich sah aus dem Fenster.
»Mammi«, hörte ich den Jungen sagen, »was ist mit dem Mann seinem Gesicht?« Die Frau antwortete nicht. Der Junge stellte seine Frage noch einmal. Wieder keine Antwort. Jetzt schrie er es heraus: »Mammi! Was ist mit dem Mann seinem Gesicht!« »Sei still! Ich weiß nicht, was mit seinem Gesicht ist!«
Im Krankenhaus hieß es, ich solle mich im vierten Stock melden. Auf der Station saß eine Schwester hinter einem Schreibtisch, die meinen Namen abhakte und mir sagte, ich solle warten. Es gab zwei lange Reihen von grünen Aluminiumstühlen, auf denen wir uns gegenübersaßen: Mexikaner, Weiße, Schwarze. Keine Orientalen. Es gab nichts zu lesen. Manche hatten die Zeitung vom Tag zuvor dabei. Es waren Patienten aller Altersgruppen vertreten, dicke und magere, kleine und große, alte und junge. Niemand sagte ein Wort. Alle wirkten sehr müde. Krankenpfleger kamen vorbei, manchmal sah man auch eine Schwester, aber nie einen Arzt. Eine Stunde verging. Zwei Stunden. Niemand wurde aufgerufen. Ich stand auf, um nachzusehen, ob sie irgendwo einen Trinkbrunnen hatten. Ich sah in die kleinen Räume hinein, in denen wir untersucht werden sollten. Es waren weder Ärzte noch Patienten drin.
Ich ging nach vorn zum Schreibtisch. Die Schwester starrte in ihr dickes Bestellbuch. Das Telefon klingelte. Sie nahm den Hörer ab.
»Dr. Menen ist noch nicht da.« Sie legte auf.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich.
»Ja?«
»Die Ärzte sind noch nicht da. Kann ich nicht später wiederkommen ? «
»Nein.«
»Aber es ist niemand da.«
»Die kommen schon noch.«
»Aber ich bin auf 8.30 Uhr
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