Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
Badezimmerspiegel und fragte mich, wie häßlich ein Mensch eigentlich werden konnte. Ich starrte ungläubig mein Gesicht an, dann drehte ich mich um und betrachtete meinen entstellten Rücken. Ich war entsetzt. Kein Wunder, daß ich von den Leuten angestarrt wurde. Kein Wunder, daß sie unerfreuliche Bemerkungen machten. Das war nicht einfach eine Akne, wie sie jeder Teenager bekommen konnte. Nein, das hier waren große entzündete Beulen, die sich erbarmungslos mit Eiter füllten. Ich kam mir vor wie ein Aussätziger, als sei ich dazu bestimmt, so zu sein.
Meine Eltern sprachen nie mit mir über meinen Zustand. Sie lebten immer noch von der Fürsorge. Meine Mutter zog jeden Morgen los, um sich nach einem Job umzusehen, und mein Vater stieg weiterhin jeden Morgen in sein Auto, als fahre er zur Arbeit. Die Sozialfälle konnten sich jeden Samstag in den Läden eine gewisse Menge kostenloser Lebensmittel abholen. Es waren größtenteils Konserven, und aus irgendeinem Grund gab es fast immer Cornedbeef. Wir aßen jedenfalls sehr oft Cornedbeef. Und Brote mit Dosenwurst. Und Kartoffeln. Meine Mutter lernte, wie man Kartoffelpuffer zubereitet. Wenn meine Eltern am Samstag ihr Lebensmittelpaket abholten, taten sie es nicht im nächstgelegenen Laden. Sie hatten Angst, jemand aus der Nachbarschaft könnte sie sehen und würde dann wissen, daß sie von der Fürsorge lebten. Also gingen sie zwei Meilen den Washington Boulevard hinunter zu einem Laden, der einige Blocks hinter der Cren-shaw lag. Und dann gingen sie schwitzend die zwei Meilen zurück und schleppten ihre Einkaufstüten mit Cornedbeef und Kartoffeln und Dosenwurst und Karotten. Mein Vater nahm nie das Auto, denn er mußte Benzin sparen. Er brauchte das Benzin für die Fahrten zu seiner imaginären Arbeitsstelle. Die anderen Väter waren nicht wie er. Sie saßen still vor ihrem Haus auf der Veranda, oder sie trafen sich auf dem leeren Grundstück und machten mit Hufeisen Zielwerfen.
Von meinem Arzt bekam ich ein weißes Zeug, mit dem ich mir das Gesicht einschmieren sollte. Es trocknete an und wurde hart wie eine Gipsmaske. Zu helfen schien es nicht. Eines Nachmittags war ich allein zuhause, stand in Unterhosen vor dem Spiegel und rieb mich damit ein. Ich versuchte gerade, die entzündeten Stellen auf meinem Rücken zu erreichen, als ich Stimmen hörte. Es war Baldy mit seinem Freund Jimmy Hatcher. Jimmy Hatcher war ein gutaussehender Bursche und ein Klugscheißer dazu.
»Henry!« hörte ich Baldy rufen. Er sagte etwas zu Jimmy, dann kam er auf die Veranda und hämmerte an die Tür. »Hey, Hank! Ich bin’s! Baldy! Mach auf!«
Du verdammter Idiot, dachte ich, kapierst du nicht, daß ich niemand sehen will? »Hank! Hank! Wir sind’s! Baldy und Jim!«
Ich hörte, wie er zu Jim sagte: »Du, ich hab ihn gesehen! Ich hab ihn da drin rumlaufen
sehen!«
»Er gibt keine Antwort.«
»Wir gehn besser rein, vielleicht ist er in Schwierigkeiten.«
Du Idiot, dachte ich, ich bin dein Freund geworden, als niemand was von dir wissen wollte. Und jetzt so was!
Ich konnte es nicht fassen. Ich rannte in den Flur, versteckte mich in einem Wandschrank und ließ die Tür ein wenig offen. Ich war mir sicher, daß sie nicht ins Haus kommen würden. Aber sie taten es doch.
Ich hatte den Hintereingang nicht abgeschlossen. Ich hörte, wie sie durchs Haus gingen. »Er muß hier sein«, sagte Baldy. »Ich hab gesehen, daß sich was bewegt hat…«
Herrgottnochmal, dachte ich, kann ich mich hier nicht mal bewegen? Schließlich wohne ich hier.
Da hockte ich nun in diesem dunklen Wandschrank. Hier drin durften sie mich auf keinen Fall
erwischen. Ich stieß also die Tür auf, sprang heraus und lief den Flur hinunter.
»Macht, daß ihr hier verschwindet, ihr Arschlöcher!«
Sie starrten mich an.
»Raus hier! Ihr habt kein Recht, hier drin zu sein! Verschwindet, oder ich mach euch ein!«
Sie rannten auf die hintere Veranda hinaus.
»Los! Weg hier, oder ich bring euch um!«
Sie rannten die Einfahrt hinunter zur Straße. Ich sah ihnen nicht nach. Ich ging in mein Zimmer und legte mich aufs Bett. Warum wollten die beiden unbedingt zu mir? Was wollten sie hier? Es gab nichts zu tun. Und zu reden gab es auch nichts.
Ein paar Tage danach ging meine Mutter mal nicht auf Arbeitssuche, und ich hatte keinen Termin im Kreiskrankenhaus. Wir waren also zusammen im Haus. Das behagte mir gar nicht. Ich hatte das Haus lieber für mich allein. Ich blieb in meinem Zimmer und hörte zu, wie sie draußen
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