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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Ist er geheilt?«
»Er ist tot.«
»Sie meinen, er ist an dieser großen Nase gestorben?«
»Nein. Selbstmord.« Sie cremte mich weiter ein.
    Dann hörte ich in der Abteilung nebenan einen Mann schreien. »Joe, wo bist du? Joe, du hast gesagt, du kommst wieder! Joe, wo bist du?« Die Stimme war nicht nur laut. Sie klang so traurig, so gequält.
    »Das macht er schon die ganze Woche«, sagte Miss Ackerman. »Jeden Nachmittag. Und Joe
wird nicht kommen und ihn holen.«
»Kann man ihm nicht helfen?«
    »Ich weiß nicht. Am Ende werden sie alle ruhig. Jetzt halt mal den Finger auf den Mull da. Damit ich dir den Verband drumwickeln kann. So. Ja. Gut so. Jetzt laß los. Gut.«
    »Joe! Joe, du hast gesagt, du kommst wieder! Wo bist du, Joe?«
    »So, jetzt halt noch dieses Stück Mull fest. Ja. Drück drauf. Ich werde dich richtig
vermummen. So. Jetzt noch die Enden abschneiden.«
Dann war sie fertig.
    »Okay, kannst dich anziehen. Also dann bis übermorgen. Wiedersehn, Henry.« »Wiedersehn, Miss Ackerman.«
    Ich zog mich an, verließ den Raum und ging den Korridor hinunter. In der Halle hatten sie einen Zigarettenautomaten mit einem Spiegel darüber. Ich sah hinein. Fabelhaft. Mein ganzer Kopf war umwickelt.
    Alles weiß. Man sah nur noch Augen, Mund und Ohren, und oben auf meinem Kopf ragten ein paar Haarbüschel heraus. Wunderbar. Ich war getarnt.
    Ich machte mir eine Zigarette an und sah mich unauffällig um. Einige Patienten saßen in der Halle und lasen Zeitungen und Illustrierte. Ich kam mir sehr außergewöhnlich vor. Und ein bißchen zum Fürchten. Niemand konnte ahnen, was mir zugestoßen war. Ein Autounfall. Ein Kampf auf Leben und Tod. Ein Mord. Eine Brandkatastrophe. Niemand wußte es.
    Ich ging hinaus. Auf der Straße konnte ich ihn immer noch hören: »Joe! Joe! Wo bist du?« Joe kam nicht. Es machte sich nicht bezahlt, einem Mitmenschen zu vertrauen. Was immer es sein mochte - die Menschen hatten es nicht.
    Auf der Fahrt nach Hause saß ich in der Straßenbahn auf einem hinteren Platz und hatte eine qualmende Zigarette, die aus meinem bandagierten Kopf herausragte. Ich wurde angestarrt, aber es machte mir nichts mehr aus. In ihren Blicken lag jetzt mehr Angst als Abscheu. Ich hoffte, daß es immer so bleiben würde.
    Als ich an der Endstation ausstieg, ging es auf den Abend zu. Ich blieb an der Ecke Washington Boulevard und Westview Avenue stehen und sah mir die Leute an. Die wenigen, die einen Job hatten, kamen von der Arbeit nach Hause. Mein Vater würde auch bald von seinem eingebildeten Job zurückkommen. Ich hatte keinen Job, ging auch nicht zur Schule, hatte nichts zu tun. Ich war bandagiert, stand an einer Straßenecke herum und paffte eine Zigarette. Ich war ein harter Brocken, ein gefährlicher Mensch. Ich wußte über einiges Bescheid. Sleeth hatte sich das Leben genommen. Das würde ich nicht tun. Eher würde ich ein paar von denen killen. Ich würde vier oder fünf von ihnen mitnehmen. Ich würde ihnen zeigen, was zu gewärtigen war, wenn man an mir herumpfuschte.
    Eine Frau kam mir entgegen. Gute Beine. Ich starrte ihr direkt in die Augen, dann sah ich auf die Beine herunter, und als sie an mir vorbeiging, genoß ich ihren Hintern in vollen Zügen. Ich prägte mir jedes Schlingern ihres Hinterns ein, die pfeilgeraden Strumpf nähte an ihren strammen Waden.
    Ohne meinen Mullverband hätte ich mir das niemals leisten können.

    34

    Am nächsten Tag wurde es mir im Bett zu langweilig, immer nur auf meine Flugzeuge zu warten. Ich stand auf und entdeckte ein großes gelbes Schreibheft, das für Schularbeiten gedacht war. Es war noch ganz leer. Ich suchte mir einen Stift, legte mich wieder ins Bett und fing an, einige Zeichnungen zu machen. Ich zeichnete Frauen mit Stöckelschuhen, die Beine übereinander, den Rock hoch.
    Dann fing ich an, eine Geschichte zu schreiben. Sie handelte von einem deutschen Jagdflieger im I. Weltkrieg: Baron von Himmlen. Er flog eine rote Fokker, und er war bei seinen Fliegerkameraden nicht beliebt. Er redete nicht mit ihnen, er trank allein, und er flog allein. Nicht einmal mit Frauen gab er sich ab, obwohl sie alle in ihn vernarrt waren. Er stand darüber. Er war zu beschäftigt. Er war damit beschäftigt, Flugzeuge der Alliierten vom Himmel zu schießen. Hundertzehn hatte er bereits abgeschossen, und der Krieg war noch nicht zu Ende. Seine rote Fokker, die er als »Herbstvogel des Todes« zu bezeichnen pflegte, war überall bekannt. Selbst die feindlichen Bodentruppen

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