Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
gebracht. Du willst mich auf die Probe stellen, hm? Was ist, wenn ich dich mal auf die Probe stelle? Angenommen, ich bestreite, daß es dich gibt? Du hast mir da einen göttlichen Test verpaßt, mit meinen Eltern hier und mit diesen Eiterbeulen. Ich bilde mir ein, daß ich die Probe bestanden habe. Ich bin härter als du. Wenn du jetzt hier runter kommst, spuck ich dir ins Gesicht. Falls du eins hast. Gehst du auch aufs Scheißhaus ? Die Frage hat uns dieser Pfarrer nie beantwortet. Er hat nur gesagt, wir sollen nicht zweifeln. An was denn? Ich finde, du hast mich schon viel zu lange getriezt, deshalb fordere ich dich jetzt auf, hier runter zu kommen, damit ich dich auf die Probe stellen kann!
Ich wartete. Es tat sich nichts. Ich wartete auf Gott. Wartete und wartete. Schließlich muß ich wohl eingeschlafen sein.
Ich schlief nie auf dem Rücken, doch als ich wieder wach wurde, lag ich auf dem Rücken. Das überraschte mich. Ich hatte die Beine angezogen, so daß das Laken wie ein Berg vor mir hochragte. Und als ich näher hinschaute, stellte ich fest, daß mich daraus zwei Augen anstarrten. Sie waren schwarz und leer, überschattet von einer Kapuze, einer spitzen schwarzen Kapuze, wie sie die Leute vom Ku-Klux-Klan trugen. Diese dunklen leeren Augen starrten mich an, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich bekam eine Heidenangst. Ich dachte mir, das müsse Gott sein. Aber der sollte doch angeblich gar nicht so aussehen …
Die Erscheinung hing da vor meinen Augen und starrte mich immer nur an. Stundenlang, wie
es schien.
Dann war sie plötzlich weg.
Ich blieb im Bett und dachte darüber nach. Ich konnte nicht glauben, daß das Gott gewesen sein sollte. Mit so einer Kapuze. Das wäre doch wirklich ein billiger Trick gewesen… Nein, ich hatte mir natürlich alles nur eingebildet.
Ich grübelte noch zehn oder fünfzehn Minuten, dann stand ich auf und ging an den kleinen braunen Kasten, den mir meine Großmutter vor Jahren einmal geschenkt hatte. Er enthielt winzige Papierröllchen mit Bibelsprüchen. Für jedes Röllchen gab es ein eigenes Fach. Man sollte eine Frage stellen und so ein Röllchen herausfischen, und darauf sollte dann die Antwort stehen. Ich hatte es einmal probiert, aber es war nichts dabei herausgekommen. Jetzt probierte ich es noch einmal. Ich fragte diesen braunen Kasten: »Was hat das bedeutet? Was hatten diese Augen zu bedeuten?«
Ich nahm so ein Papier heraus und entrollte es. Es war ein winziger Schnipsel aus steifem
Papier. Ich las, was daraufstand:
GOTT HAT DICH VERSTOSSEN.
Ich rollte es wieder zusammen und legte es zurück. Ich glaubte nicht daran. Ich legte mich ins Bett und machte mir meine Gedanken. Es war zu simpel. Zu direkt. Nein, ich glaubte es nicht. Ich überlegte, ob ich mir einen runterholen sollte, um wieder auf den Teppich zu kommen. Ich glaubte immer noch nicht, was ich da gelesen hatte. Ich stand wieder auf, nahm sämtliche Röllchen aus dem Kasten und wickelte sie auf. Ich las sie alle durch. Auf keinem stand etwas, von wegen »Gott hat dich verstoßen«. Ich rollte sie wieder ein und legte sie in ihre Fächer zurück.
Die Pusteln wurden nun immer schlimmer, und ich fuhr weiterhin mit der Straßenbahn der Linie 7 zum Kreiskrankenhaus, und mit der Zeit verknallte ich mich in Miss Ackerman, die mir so hingebungsvoll die Dinger ausquetschte. Trotz dieser schauerlichen Sache mit Blut und Eiter war sie immer freundlich und rücksichtsvoll. Meine Gefühle für sie hatten nichts mit Sex zu tun. Ich wünschte mir nur, sie würde mich an ihren weißen gestärkten Busen drücken, und wir könnten gemeinsam aus dieser Welt verschwinden. Aber das tat sie nie. Dazu war sie zu praktisch veranlagt. Sie erinnerte mich immer nur an meinen nächsten Termin.
33
Das Ticken des UV-Apparats verstummte. Ich war wieder auf beiden Seiten bestrahlt worden.
Ich nahm die Augenschützer ab und begann, mich anzuziehen. Miss Ackerman kam herein.
»Noch nicht. Laß deine Sachen noch aus.«
Was hat sie denn jetzt mit mir vor? dachte ich.
»Bleib da sitzen.«
Ich saß da, und sie rieb mir das Gesicht mit einer Salbe ein. Es war eine dicke butterweiche Substanz.
»Die Ärzte haben sich etwas anderes überlegt. Wir werden dir das Gesicht verbinden, damit es besser heilt.«
»Miss Ackerman, was ist eigentlich aus dem Mann geworden, der diese große Nase hat? Die
Nase, die immer weiter wächst?«
»Mr. Sleeth?«
»Der Mann mit der großen Nase.«
»Das war Mr. Sleeth.«
»Ich sehe ihn gar nicht mehr.
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