Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
herumpusselte. Mein Ausschlag war schlimmer denn je. Ich sah auf meiner Flugzeugtabelle nach. Die 11.30 Uhr-Maschine war fällig. Ich spitzte die Ohren. Nichts. Sie hatte Verspätung. Schließlich kam sie. Als sie über dem Haus war, stoppte ich drei Minuten Verspätung. Dann schellte es an der Haustür. Ich hörte, wie meine Mutter nach vorn ging und aufmachte. »Emily. Wie geht’s?« »Hallo, Katy. Und dir?«
Es war meine Großmutter. Sie war inzwischen sehr alt. Ich hörte die beiden reden, aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Dafür war ich dankbar. Sie unterhielten sich fünf oder zehn Minuten, dann kamen sie den Flur herunter, auf mein Zimmer zu.
»Ich werde euch noch alle überleben«, hörte ich meine Großmutter sagen. »Wo ist der
Junge?«
Die Tür ging auf. Sie kamen herein und blieben stehen.
»Hallo, Henry«, sagte meine Großmutter.
»Deine Großmutter ist gekommen, um dir zu helfen«, sagte meine Mutter.
Die Großmutter hatte eine geräumige Handtasche dabei. Sie stellte sie auf die Kommode und
holte ein riesiges silbernes Kruzifix heraus.
»Deine Großmutter will dir helfen, Henry.«
Großmutter hatte noch mehr Warzen im Gesicht, und sie war noch dicker geworden. Sie
wirkte unverwüstlich. Sie sah aus, als werde sie nie sterben. Sie war inzwischen so alt, daß es
für sie fast sinnlos war, jetzt noch zu sterben.
»Leg dich auf den Bauch, Henry«, sagte meine Mutter.
Ich drehte mich auf den Bauch, und meine Großmutter beugte sich über mich. Aus einem halben Auge konnte ich sehen, daß sie dieses riesige Kruzifix über mir pendeln ließ. Ich hatte mich schon vor ein paar Jahren gegen die Religion entschieden. Wenn das Zeug stimmte, machte es die Leute zu Narren. Oder es zog Leute an, die schon welche waren. Und wenn es nicht stimmte, ließ es die Narren nur um so dämlicher aussehen.
Aber hier wurde es schließlich von meiner Großmutter und Mutter praktiziert. Ich beschloß, ihnen ihren Willen zu lassen. Das Kruzifix pendelte über meinem verpickelten Rücken hin und her.
»Gott«, betete meine Großmutter, »vertreibe den Satan aus dem Leib dieses armen Jungen! Sieh dir nur all diese Geschwüre an! Lieber Gott, mir wird ganz schlecht davon! Sieh sie dir an! Das ist der Satan, o Herr, der im Körper dieses Jungen haust. Herr, vertreibe ihn aus seinem Leib!«
»Vertreibe den Satan aus seinem Leib, o Herr!« sagte meine Mutter.
Was ich brauche, ist ein anständiger Arzt, dachte ich. Was ist los mit diesen Weibern? Warum lassen sie mich nicht in Frieden?
»Gott«, sagte meine Großmutter, »warum duldest du, daß der Satan im Leib dieses Jungen haust? Siehst du nicht, wie der Satan es genießt? Sieh dir diese Geschwüre an, o Herr! Mir kommt es hoch, wenn ich sie nur ansehe! Sie sind so rot und groß und voll!«
»Vertreibe den Satan aus dem Leib meines Jungen«, keifte meine Mutter.
»Gott bewahre uns vor diesem Übel!« schrie meine Großmutter.
Sie packte ihr Kruzifix und bohrte es mir mitten in den Rücken. Blut spritzte heraus. Ich spürte es, zuerst warm, dann plötzlich kalt. Ich wälzte mich herum und setzte mich auf. »Scheiße! Was machst du denn?!«
»Ich mache ein Loch, durch das Gott den Satan austreiben soll!« sagte meine Großmutter.
»Jetzt reicht mir’s aber!« sagte ich. »Ich möchte, daß ihr beide hier verschwindet, aber schnell!
Habt ihr mich verstanden?«
»Er ist immer noch besessen!« sagte meine Großmutter.
»Verfluchte Scheiße!« schrie ich. »Raus hier!«
Schockiert und enttäuscht zogen sie sich zurück und machten die Tür hinter sich zu.
Ich ging ins Badezimmer, knüllte eine Handvoll Klopapier zusammen und versuchte, die Blutung zu stillen. Als ich das Klopapier ansah, war es ganz durchweicht. Ich riß neues Papier von der Rolle und drückte es mir eine Weile auf den Rücken. Dann nahm ich die Flasche Jod vom Regal. Ich schwang den Arm nach hinten und versuchte, die Wunde mit dem Jod zu erreichen. Es war einigermaßen schwierig. Schließlich gab ich auf. Außerdem, wer hatte schon mal was von einer unheilbaren Rückenentzündung gehört. Entweder man lebte damit, oder man starb. Eine Möglichkeit, wie sie einem den Rücken amputieren konnten, hatten die Arschkrücken noch nicht entdeckt.
Ich ging zurück in mein Zimmer, legte mich ins Bett und zog mir das Laken bis zum Kinn. Ich sah die Zimmerdecke an und führte Selbstgespräche:
All right, Gott. Nehmen wir mal an, du bist wirklich da oben. Dann hast du mich in diese beschissene Lage
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