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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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hinter mich, die sechsunddreißigste, die achtunddreißigste. Die Nadel hatte mir eigentlich nie Angst gemacht, ich war nur wütend über die endlose Prozedur, doch mittlerweile war auch die Wut vergangen. Ich empfand nicht einmal Resignation. Ich war nur gründlich verdrossen, daß das alles ausgerechnet mir passieren mußte, und ich war sauer auf die Ärzte, weil sie nicht damit fertig wurden. Sie waren hilflos, und ich war hilflos - nur mit dem Unterschied, daß sie zu ihren Frauen nach Hause fahren und alles vergessen konnten, während ich weiter mit diesem Gesicht herumlaufen mußte.
    Doch es gab auch Veränderungen in meinem Leben. Mein Vater fand Arbeit. Er machte eine Prüfung im L. A. County Museum und bekam einen Job als Wärter. Mit Prüfungen tat er sich nie schwer. Mathematik und Geschichte lagen ihm besonders. Er bestand also auch diese Prüfung und hatte nun endlich jeden Morgen ein festes Ziel. Drei Stellen für Wärter waren frei gewesen, und er hatte eine davon bekommen.
    Die vom Kreiskrankenhaus fanden das irgendwie heraus, und eines Tages sagte Miss Ackerman zu mir: »Henry, das ist heute deine letzte Behandlung. Ich werde dich vermissen.« »Ach kommen Sie«, sagte ich. »Mal ehrlich: Sie werden mich ungefähr so vermissen, wie mir diese elektrische Nadel da fehlen wird.«
    Doch sie war sehr eigenartig an diesem Tag. Ihre großen Augen hatten einen feuchten
Schimmer. Ich hörte, wie sie sich heftig schneuzte, und dann hörte ich eine der Schwestern
sagen: »Nanu, Janice, was hast du denn?«
»Nichts. Nichts hab ich.«
    Die arme Miss Ackerman. Ich war fünfzehn Jahre alt und in sie verliebt, und ich hatte Pickel von Kopf bis Fuß, und keiner von uns konnte aus der Situation etwas machen.
    »So«, sagte sie, »das wird jetzt deine letzte Bestrahlung. Leg dich auf den Bauch.«
    »Ich weiß jetzt ihren Vornamen«, sagte ich. »Janice. Das find ich ‘n hübschen Namen. Er paßt
auch so zu Ihnen …«
»Ach sei still«, sagte sie.
    Ich sah sie noch einmal, als der Summer im Apparat ertönte. Ich drehte mich auf den Rücken, sie stellte die Uhr neu ein und verließ den Raum. Danach sah ich sie nie mehr wieder. Mein Vater hielt nichts von Ärzten, die etwas kosteten. »Sie lassen dich in ein Glas pissen, nehmen dir dein Geld ab und fahren wieder nach Hause zu ihren Weibern in Beverley Hills«, sagte er.
    Doch dann schickte er mich doch zu einem. Der Arzt roch aus dem Mund, und sein Kopf war rund wie ein Basketball, nur dass er im Gegensatz zu einem Basketball zwei kleine Augen hatte. Ich konnte meinen Vater nicht leiden, und dieser Arzt war kein bisschen besser. Nichts Gebratenes, sagte er, und viel Karottensaft trinken. Das war alles.
    Und dann eröffnete mir mein Vater, ich solle mit Beginn des nächsten Schuljahres wieder an der Chelsey High weitermachen.
    »Ich racker mir den Arsch ab, damit die Besucher nichts klauen. Gestern hat so ein Nigger eine Vitrine eingeschlagen und ein paar seltene Münzen gestohlen. Aber ich hab den Bastard erwischt. Ich hab mich mit ihm die ganze Treppe runtergewälzt und ihn festgehalten, bis die anderen dazugekommen sind. Ich riskiere jeden Tag mein Leben. Warum solltest du da auf deinem Arsch rumsitzen und den Griesgram mimen? Ich will, dass du mal Ingenieur wirst. Aber wie zum Deibel soll aus dir ‘n Ingenieur werden, wenn ich nichts als Hefte finde, die voll sind von Weibern mit dem Rock rauf bis zum Hintern? Ist das alles, was du zeichnen kannst? Warum zeichnest du nicht Blumen oder Berge oder den Ozean? Du gehst mir wieder auf die Schule!«
    Ich trank also Karottensaft und wartete auf den Beginn des nächsten Schuljahrs. Ich hatte nur ein Jahr verpasst. Mein Ausschlag war noch nicht geheilt, aber er war nicht mehr so schlimm wie vorher.
    »Weißt du, was mich dein Karottensaft kostet? Die erste Stunde jeden Morgen arbeite ich bloß für deinen gottverdammten Karottensaft!«
    Ich entdeckte inzwischen die La Cienega Public Library und besorgte mir einen Ausweis. Es war eine sehr kleine Bücherei, in der Nähe der alten Kirche am West Adams Boulevard, und sie hatten dort nur eine einzige Bibliothekarin. Die Dame war eine vornehme Erscheinung und wirkte sehr gebildet. Sie war ungefähr 38, hatte aber schon ganz weißes Haar, das im Nacken zu einem straffen Knoten gebunden war. Sie hatte eine spitze Nase und grüne Augen und trug eine randlose Brille. Man hatte den Eindruck, als wüsste sie rein alles.
    Ich ging an den Regalen entlang und suchte nach Büchern, die mir

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