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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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großen grünen Ozean des Lebens dümpelte.
    Ich sah ihnen zu, wie sie aus dem Wasser kamen, glitzernd, glatthäutig, jung, unbesiegt. Ich wäre gern in ihren Kreis aufgenommen worden. Nur nicht aus Mitleid. Doch obwohl sie geistig und körperlich keinen Kratzer hatten, fehlte ihnen etwas. Sie hatten noch keine Bewährungsprobe bestanden. Wenn ihnen im Leben schließlich etwas zustieß, würde es womöglich zu spät kommen oder zu schwer für sie sein. Ich war vorbereitet. Vielleicht. Ich sah Jim zu, wie er sich mit einem ihrer Handtücher abfrottierte. In diesem Augenblick kam ein kleiner Junge von etwa vier Jahren an, bückte sich und warf mir eine Handvoll Sand ins Gesicht. Dann stand er da, sah mich drohend an und verzog seinen sandigen stupiden kleinen Mund zu einem Siegergrinsen. Ein wagemutiger süßer kleiner Scheißer. Ich krümmte den Zeigefinger und winkte ihn näher heran. Er rührte sich nicht vom Fleck.
    »Komm her, Kleiner«, sagte ich. »Ich hab ein Stück Schokolade mit ‘ner Füllung aus purer Scheiße für dich.«
    Der kleine Wichser sah mich an, drehte sich um und rannte weg. Sogar sein Hintern war stupid. Die beiden pfirsichförmigen Bäckchen eierten in verschiedene Richtungen, als hätten sie ein Eigenleben. Immerhin, ich war wieder einen Feind losgeworden.
    Dann war Jim wieder da. Der Ladykiller. Er stand da und sah auf mich herunter. Auch er
machte jetzt ein finsteres Gesicht.
»Sie sind weg«, sagte er.
Ich sah hinüber zu der Stelle, wo die fünf Mädchen gewesen waren. Tatsächlich, sie waren
weg.
»Wo sind sie hin?« fragte ich.
»Ist doch egal. Was soll’s. Ich hab mir von den zwei besten die Telefonnummern geben
lassen.«
»Die besten für was?«
»Na, zum Ficken, du Armleuchter!«
Ich stand auf.
    »Ich glaube, ich muss dir mal eine verplätten, du Armleuchter!«
    Sein Gesicht sah gut aus in der frischen Brise vom Meer. Ich sah ihn bereits am Boden, wie er sich im Sand krümmte und mit seinen weißen Fußsohlen in die Luft kickte. Er machte einen Schritt zurück.
    »Komm, beherrsch dich, Hank. Du kannst ihre Telefonnummern ja haben!«
    »Behalt sie nur. Ich hab schließlich nicht deine gottverdammt zickigen Ohren!«
    »Okay, reg dich ab. Wir sind doch Freunde. Oder hast du das vergessen?«
    Wir gingen rauf zu dem Strandhaus, hinter dem wir unsere Räder abgestellt hatten. Wir wussten beide, wer heute seinen großen Tag gehabt hatte. Wenn ich ihm eine vor den Latz knallte, hätte das nichts daran geändert. Es hätte vielleicht geholfen, aber nicht genug. Auf der Fahrt nach Hause versuchte ich nicht mehr, ihn abzuhängen. Um Befriedigung zu empfinden,

    wäre mehr nötig gewesen. Vielleicht diese Blondine mit den langen Haaren, die im Wind flatterten.

    40

    Das Reserve Officers’ Training Corps war etwas für Leute, die eine Macke hatten. Wie gesagt, entweder das oder Sport. Ich hätte mich ohne weiteres für Sport entschieden, aber ich wollte die anderen meine Pickel nicht sehen lassen. Mit jedem, der im Kadettenverein mitmachte, stimmte etwas nicht. Die Truppe bestand fast ausschließlich aus Burschen, die entweder eine Abneigung gegen Sport hatten oder von ihren Eltern zu R.O.T.C. gezwungen wurden, weil die dachten, das sei patriotisch. Die Eltern der reichen Jungs neigten dazu, besonders patriotisch zu sein, denn sie hatten am meisten zu verlieren, wenn das Land vom Feind überrannt wurde. Die weniger begüterten Eltern waren lange nicht so patriotisch, führten sich aber oft so auf, weil es eben erwartet wurde, oder weil man sie so erzogen hatte. Irgendwie war ihnen natürlich klar -vor allem, wenn sie eine dunkle Hautfarbe hatten —, dass es für sie so gut wie keinen Unterschied machen würde, wenn die Russen oder Deutschen oder Chinesen oder Japaner das Land übernahmen. Im Zweifelsfall konnte es für sie eher besser werden. Jedenfalls, da die Eltern der meisten Schüler reich waren, hatten wir einen der größten Kadettenvereine in der Stadt.
    Wir marschierten also in der Sonne herum und lernten, wie man Latrinen aushebt, Schlangenbisse kuriert, die Verwundeten behandelt, Schlagadern abbindet und dem Feind das Bajonett reinstößt. Wir erfuhren alles über Handgranaten, Infiltration, Truppenaufstellung, Manöver, Rückzug und Vormarsch, geistige und körperliche Disziplin. Wir zogen zum Schießstand, bang-bang, und kriegten unsere Schießauszeichnungen. Wir hatten richtige Manöver draußen in den Wäldern und fochten erfundene Kriege aus. Mit dem Gewehr im Anschlag robbten

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