Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
hatte.
Mir war elend.
»Entschuldigung …«, wandte ich mich an ein Mädchen.
Sie sah mich kurz an und ging rasch weiter. Ein Kerl rannte vorbei. Ich packte ihn hinten am
Gürtel und hielt ihn an.
»Hey! Was soll denn das?« fragte er.
»Schrei nicht rum. Ich will wissen, was hier läuft! Ich will wissen, was ich tun muss!« »Das haben sie dir doch alles bei der Studienberatung erklärt.« »Ach so …«
Ich ließ ihn los, und er rannte weiter. Ich wusste nicht, was zu tun war. Ich hatte mir vorgestellt, dass man einfach irgendwo erschien und sagte, man wolle Journalismus für Anfänger belegen, und dann würden sie einem den Stundenplan geben. Nichts dergleichen. Alle wussten hier, was sie tun mussten, und mir wollten sie es nicht verraten. Ich kam mir vor, als sei ich wieder in der Grundschule und würde geschnitten von den anderen, die mehr wussten als ich. Ich setzte mich auf eine Bank und sah ihnen zu, wie sie hin und her eilten. Vielleicht konnte ich mich durchschummeln. Ich würde meinen Eltern einfach erzählen, ich ginge aufs L. A. City College, und ich würde jeden Tag herkommen und mich ins Gras legen. Dann sah ich wieder einen vorbeirennen. Es war Baldy. Ich erwischte ihn hinten am Kragen. »Hey, hey, Hank! Was’n los?« »Ich sollte dir sofort eine verplanen, du kleines Arschloch!« »Wieso? Was ist denn?«
»Wie komm ich hier in einen verdammten Kurs rein? Was muss ich tun!?« »Na, ich hab gedacht, das weißt du!«
»Woher denn? Bin ich vielleicht mit diesem Wissen schon auf die Welt gekommen, abrufbereit im Kopf?«
Ich bugsierte ihn, ohne meinen Griff zu lockern, hinüber zu einer Bank. »So, jetzt erzähl mir mal schön der Reihe nach, was hier zu tun ist, und wie man’s anstellt. Wenn du’s anständig machst, lass ich dich vielleicht nochmal davonkommen.«
Baldy erklärte mir alles. Ich bekam meine ganze Studienberatung auf einen Schlag. Ich hielt ihn immer noch am Kragen fest. »Ich lass dich jetzt gehn. Aber eines Tages komm ich darauf zurück und lass es dich büßen, dass du mir einen reingewürgt hast. Du wirst nicht wissen, wann es soweit ist, aber passieren wird es.«
Ich ließ ihn los, und er rannte mit den anderen davon. Ich sah keinen Anlass, mir Sorgen zu machen oder mich zu beeilen. Ich würde jetzt ohnehin nur noch die schlimmsten Kurse bekommen, die schlechtesten Lehrer und den schlechtesten Stundenplan. Gemächlich schlenderte ich herum und trug mich für die Kurse ein, die noch nicht voll waren. Ich war offenbar der einzige Student auf dem Campus, der ganz gelassen blieb. Ich kam mir schon richtig überlegen vor.
Bis zu meiner ersten Englischstunde, morgens um sieben. Es war bereits 7.30 Uhr, als ich schwer verkatert vor der Tür des Klassenzimmers ankam und lauschte. Ich hatte die Bücher verkauft, die meine Eltern für mich erstanden hatten, und das Geld hatte ich vertrunken. In der Nacht zuvor war ich aus meinem Fenster geklettert und hatte in der nächsten Kneipe gezecht bis zur Polizeistunde. Ich hatte so viel Bier getrunken, dass ich jetzt noch halb betrunken war. Ich drückte die Klinke nieder, ging ins Klassenzimmer und blieb stehen. Der Englischlehrer, Mr. Hamilton, stand vor der Klasse und sang aus voller Kehle. Auf dem Plattenspieler in der Ecke lief eine laute Schallplatte, und die ganze Klasse sang mit. Es war etwas von Gilbert und Sullivan:
Now I am the ruler of the Queen’s Navy … I copied all the letters in a big round band … Now I am the ruler of the Queen’s Navy … Stick close to your desks and never go to sea … And you all may be rulers of the Queen’s Navy …
Ich ging nach hinten und fand einen leeren Platz in der letzten Reihe. Hamilton ging zum Plattenspieler und stellte ihn ab. Er trug einen schwarzweiß karierten Anzug mit einem leuchtend orangefarbenen Hemd. Er wirkte damit wie Nelson Eddy. (Populärer Schnulzensänger der dreißiger und vierziger Jahre).
Er stellte sich vor die Klasse, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und wandte sich an
mich.
»Sie sind wohl Mr. Chinaski?«
Ich nickte.
»Sie kommen dreißig Minuten zu spät.«
»Ja.«
»Würden Sie auch zu einer Hochzeit oder einer Beerdigung dreißig Minuten zu spät
kommen?«
»Nein.«
»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
»Naja, wenn es meine Beerdigung wäre, müsste ich ja pünktlich sein. Und wenn es meine Hochzeit wäre, dann war’s gleichzeitig auch meine Beerdigung.« Ich und mein vorlautes Mundwerk. Ich würde es nie lernen.
»Mein lieber Freund«, sagte
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