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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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abgehackt und verbittert geraten. Nicht, dass daran etwas schlecht war. Es fehlte ihnen nur etwas - sie hatten kein eigenes Leben. Meine Geschichten waren finsterer und ausgefallener als die von Becker, aber sie überzeugten nicht. Nun ja, eine oder zwei fand ich durchaus gelungen, doch es war eher so, als wären sie von allein auf die Reihe gekommen und nicht dahin gebracht worden. Becker war eindeutig besser. Vielleicht sollte ich es lieber mit Malen versuchen.
    Ich wartete, bis meine Eltern zu Bett gegangen waren. Mein Vater schnarchte immer sehr laut. Als er nebenan loslegte, schob ich das Fenster hoch und kroch durch den Vogelbeerstrauch hinaus auf den Weg zwischen unserem Haus und dem des Nachbarn. Ich tastete mich in der Dunkelheit nach vorn, ging die Longwood Avenue hinauf zur 21. Straße und dann auf der Westview zur Endstation der Linie »W«. Ich warf meine Münze in den Apparat, drückte mich durchs Drehkreuz, setzte mich hinten im Wagen ans Fenster und zündete mir eine Zigarette an. Wenn Beckers Freunde auch nur annähernd so gut waren wie seine Kurzgeschichte, dann würde es eine sehr beachtliche Nacht werden …
    Als ich das Haus in der Beacon Street endlich gefunden hatte, saß Becker bereits bei seinen Freunden in der Küche. Er stellte mich allen vor: Harry, Lana, Gobbles, Stinky, Marshbird, Ellis, Dogface und The Ripper. Sie saßen um den großen Küchentisch, waren jung und schlank und rauchten Selbstgedrehte. Harry hatte irgendwo einen festen Job. Er und Becker waren die einzigen, die Arbeit hatten. Lana war mit Harry verheiratet, und Gobbles in einem hohen Kinderstuhl war der kleine Sohn der beiden. Lana war anscheinend die einzige Frau in der Clique. Als ich ihr vorgestellt wurde, sah sie mir offen in die Augen und lächelte mich an. »Becker hat uns von dir erzählt«, sagte Harry. »Er sagt, du bist Schriftsteller.« »Naja, ‘ne Schreibmaschine hab ich.« »Wirst du auch über uns schreiben?« fragte Stinky. »Ich würde lieber was trinken.«
    »Auch gut. Wir saufen hier immer um die Wette«, sagte Stinky. »Hast du Geld dabei?« »Zwei Dollar …«
    »Okay, der Einsatz ist zwei Dollar«, sagte Harry. »Fahrt eure Scheine aus.«
    Das ergab achtzehn Dollar. Sah gut aus, all dieses Geld auf dem Tisch. Eine Flasche erschien. Dann Whiskygläser.
    »Becker sagt, du hältst dich für einen harten Burschen. Bist du das auch?«
    »Yeah.« »Na, werden wir ja sehn …«
    Das Licht in der Küche war sehr grell. In der Flasche war echter Bourbon. Bernsteinfarben. Harry machte die Gläser voll. Es war ein erhebender Anblick. Mein Mund und meine Kehle brannten vor Ungeduld. Das Radio war an, und jemand sang: Oh Johnny, oh Johnny, how you can love! »Runter damit!« sagte Harry.
    Hier konnte ich unmöglich verlieren. Ich konnte tagelang trinken. Ich hatte noch nie genug zu trinken bekommen.
    Gobbles hatte sein eigenes Whiskyglas, nur in Babygröße. Als wir unsere Gläser hoben und
kippten, tat er es uns nach. Das fanden alle sehr lustig. Ich fand es nicht so lustig, dass ein
Baby Whisky trank, aber ich sagte nichts.
Harry schenkte die nächste Runde ein.
»Hast du meine Story gelesen, Hank?« fragte Becker.
»Ja.«
»Und? Hat sie dir gefallen?«
    »Sie war gut. Du bist schon voll drauf. Jetzt brauchst du nur noch ein bißchen Glück.« »Runter damit!« sagte Harry.
    Die zweite Runde war kein Problem. Alle tranken ex. Auch Lana.
Harry sah mich an. »Prügelst du dich gerne, Hank?«
»Nein.«
»Na, falls du Lust kriegst - dafür haben wir Dogface hier.«
    Dogface war mir zwei Nummern zu groß. Es war wirklich ermüdend, auf dieser Welt zu sein. Jedesmal, wenn man sich umsah, stand schon einer bereit, der einen plätten konnte, ohne auch nur Luft zu holen. Ich nickte Dogface zu. »Hi, Kumpel.«
    »Von wegen Kumpel«, sagte er. »Sieh zu, daß du deinen nächsten Drink runterkriegst.« Harry goß die Gläser wieder voll. Gobbles ließ er diesmal aus. Ich wusste das zu schätzen. Na schön, wir hoben die Gläser, und auch diese Runde ging allen glatt runter. Dann stieg Lana aus.
    »Jemand muss schließlich morgen früh den ganzen Dreck hier wegmachen und Harry wieder fit kriegen für seine Arbeit«, sagte sie.
    Die nächste Runde wurde eingeschenkt. Die Gläser waren gerade voll, da knallte die Tür auf, und ein großer gutaussehender Bursche von etwa zweiundzwanzig kam hereingestürzt. »Mensch, Harry«, sagte er, »du musst mich verstecken! Ich hab grad eine Tankstelle ausgemistet!«
    »Mein Auto steht

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