Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
kauen, und während er noch daran kaute, spießte er einen großen Fleischklops auf, rammte auch den in den Mund und schob noch ein Stück Weißbrot nach.
Ich erinnerte mich, was Iwan in >Die Brüder Karamasow< gesagt hatte: »Wer wünscht sich nicht, den Vater zu erschlagen?«
Während mein Vater mit vollen Backen kaute, hing ihm ein langer Spaghettifaden aus dem Mundwinkel. Er bemerkte ihn schließlich und sog ihn schmatzend ein. Dann rührte er sich zwei gehäufte Teelöffel Zucker in den Kaffee, hob die Tasse zum Mund und trank einen gewaltigen Schluck, den er augenblicklich wieder auf seinen Teller und das Tischtuch ausspie. »Das Scheißzeug ist zu heiß!« »Du solltest vorsichtiger sein, Daddy«, sagte meine Mutter.
Vom nächsten Tag an »klapperte ich den Stellenmarkt ab«, wie man es damals zu nennen pflegte, doch das erwies sich als ödes und sinnloses Unterfangen. Man musste Beziehungen haben, um einen Job zu bekommen, und sei es auch nur als niedere Küchenhilfe in einem Restaurant. Die Folge war, dass die Stadt überquoll von arbeitslosen Tellerwäschern. An den Nachmittagen saß ich mit ihnen am Pershing Square herum. Die Erweckungsprediger waren auch da, manche mit Tambourin, manche mit Gitarre, und hinter den Sträuchern des Parks und in der öffentlichen Bedürfnisanstalt wimmelte es von Homos.
»Manche von denen sind reich«, erzählte mir ein jugendlicher Stadtstreicher. »Mich hat mal so einer mitgenommen, und ich hab zwei Wochen bei ihm gewohnt. Ich konnte essen und trinken, soviel ich wollte, und er hat mir auch Sachen zum Anziehen gekauft. Aber er hat mich ausgelutscht bis zum letzten Tropfen, und am Ende könnt’ ich mich nicht mehr auf den Beinen halten. Eines Nachts hab ich gewartet, bis er eingeschlafen war, und dann bin ich da rausgekrochen, auf allen vieren. Es war schauderhaft. Einmal hat er mich abgeküsst, und ich hab ihm eine gescheuert, dass er quer durchs Zimmer geflogen ist. >Mach das nochmals hab ich zu ihm gesagt, >und ich murks dich ab!<«
In Clifton’s Cafeteria ließ es sich aushaken. Wenn man nicht genug Geld hatte, brauchte man nur soviel zu bezahlen, wie man konnte. Und wenn man pleite war, musste man überhaupt nichts bezahlen. Manche Penner gingen dort regelmäßig essen, und zwar gut und reichlich. Das Lokal gehörte einem netten reichen Alten, der ein sehr ungewöhnlicher Mensch war. Ich brachte es nie fertig, hineinzugehen und einfach zu schnorren. Ich ließ mir gewöhnlich einen Kaffee und ein Stück Apfelkuchen geben und zahlte ihnen fünf Cents. Manchmal bekam ich auch ein Paar Wiener. Es war still und angenehm kühl im Lokal. Und sauber. Hinten hatten sie einen großen künstlichen Wasserfall, und wenn man sich neben ihn setzte, konnte man sich einbilden, es sei eigentlich alles ganz in Butter.
Auch Philippe’s Cafeteria war nicht übel. Für drei Cents bekam man eine Tasse Kaffee und konnte sich nachfüllen lassen, sooft man wollte. Man konnte den ganzen Tag dasitzen und Kaffee trinken, und sie komplimentierten einen nie hinaus, egal wie abgerissen man aussah. Die Penner wurden lediglich gebeten, ihre Wermutflaschen draußen zu lassen. Solche Orte waren ein Lichtblick in einer Zeit, in der es nicht viel Hoffnung gab.
Auf dem Pershing Square stritten sie den ganzen Tag, ob Gott existierte oder nicht. Die meisten hatten keinen besonders guten Vortrag, doch ab und zu traf ein religiöser Fanatiker auf einen versierten Atheisten, und dann wurde es eine gute Show.
Wenn ich ein bißchen Kleingeld hatte, ging ich immer in die Bar im Souterrain des großen Kinos. Ich war zwar erst achtzehn, aber ich wurde ohne weiteres bedient. So wie ich aussah, hätte ich fast in jedem beliebigen Alter sein können. Manchmal wirkte ich wie fünfundzwanzig, und manchmal fühlte ich mich wie dreißig. Die Bar wurde geführt von Chinesen, die nie ein Wort mit einem redeten. Alles, was ich brauchte, war das Geld für mein erstes Bier, und dann kamen bereits die Homos und luden mich ein. Worauf ich prompt zu Whisky-Sour überging. Ich ließ sie für einen Whisky-Sour nach dem anderen blechen, und wenn sie anfingen, mich zu betätscheln, wurde ich grob, stieg von meinem Barhocker herunter und ging. Nach einer Weile sprach es sich bei ihnen herum, und die Bar war für mich gestorben.
Von all den Orten, die ich aufsuchte, war keiner so deprimierend wie die Zweigstelle der Stadtbibliothek. Ich hatte schon alle Bücher durch, und nach einiger Zeit nahm ich nur noch wahllos
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