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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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investieren.
    Gleichzeitig nahm ich Verbindung mit
der Oberrealschule in dem 30 km entfernten Ravensburg auf. Dort traf ich einen
Klassenkameraden, der mit mir die Schulbank in der Realschule in Isny gedrückt
hatte. Er hatte nach der fünften Klasse nach Ravensburg gewechselt und gerade die
Reifeprüfung bestanden. Ihm kaufte ich seine Schulbücher ab. Dem überraschten
Oberstudiendirektor der Ravensburger Oberrealschule teilte ich bei einem Besuch
meine Absicht mit, im kommenden Frühjahr an der Reifeprüfung seiner Anstalt
teilzunehmen. Um ihn zu beeindrucken, legte ich das Abschlußzeugnis von
Weihenstephan vor. Leider hatte ich damit nicht den beabsichtigten Erfolg, da
er mich über meine Kenntnisse in Algebra und höherer Analysis, seine
Unterrichtsfächer in den Oberklassen, ausfragte, Fächer, in denen ich mich als
chemisch rein erwies. Er äußerte an dem Erfolg meines Vorhabens heftige
Zweifel, nannte mir aber einen Reallehrer, der ein guter Mathematiker und
Pädagoge war. Anschließend suchte ich diesen auf, und da er gerade eine freie
Stunde hatte, schlug ich ihm vor, sofort mit dem Unterricht zu beginnen.
Überrascht ob soviel Ungestüm wandte er ein, daß er ja gar nicht vorbereitet
wäre. Ich tröstete ihn mit dem Hinweis, daß ich mich auch nicht vorbereitet
hätte, aber da ich nun schon in Ravensburg sei, wäre mit dieser Stunde eine
Hin- und Rückfahrt gespart. Das leuchtete ihm ein und er begann, mich in die
Geheimnisse der Algebra einzuweihen. Am Schluß nannte er mir einige Übungen,
die ich bis zum nächsten Unterricht lösen sollte. Drei Tage später kreuzte ich
wieder bei ihm auf und hatte zu seiner Überraschung nicht nur die angegebenen
Aufgaben gemacht sondern gleich mit dem nächsten Lehrsatz begonnen und einige
Aufgaben zu lösen versucht. Er protestierte gegen dieses unmethodische
Vorgehen, aber mit dem Hinweis, daß ich fast mein ganzes Wissen im
Selbststudium erlernt hätte, überzeugte ich ihn von meiner Arbeitsweise. In
Zukunft erklärte er mir nur noch das, was ich nicht begriffen hatte. So war es
möglich, den Unterrichtsstoff in den beiden Fächern in kurzer Zeit nachzuholen,
und als die großen Ferien zu Ende waren, hatte ich in Mathematik den Anschluß
an die neunte Klasse erreicht. Allerdings fehlte mir die Übung. Die Lehrsätze
waren mir noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen, sondern ich mußte mir
jede Aufgabe bis ins kleinste überlegen.
    Parallel dazu nahm ich Unterricht in
Französisch und Englisch bei einem Studienrat, dem die fünfklassige Realschule
in Schussenried unterstand. Hier machte mir nur die Grammatik Schwierigkeiten,
da mir die Grundlagen fehlten. Aber auch hier gewann ich in einigen Monaten den
Anschluß, so daß ich in der neunten Klasse zwar mehr schlecht als recht aber
doch mitmachen konnte. Die Fächer Geschichte, Physik, Zoologie, Botanik und
Literaturgeschichte machten mir viel Spaß, und so war das Abitur gar nicht so
schwer wie man es sich vielleicht vorstellt.
    Als ich nach den großen Ferien als
außerordentlicher Schüller in die neunte Klasse aufgenommen wurde, kam ich also
einigermaßen im Unterricht mit. Nur mußte ich feststellen, daß ich in der
Auswahl der Schule einen Fehler gemacht hatte. Die Schüler der Oberklassen
dieser Schule rekrutierten sich in der Hauptsache aus den Besten der kleinen
Realschulen des gesamten Oberlandes von der Donau bis zum Bodensee. Dadurch
waren die Klassenleistungen überdurchschnittlich hoch. Zudem mußte ich mich an
den Pennalbetrieb erst wieder gewöhnen, da in Weihenstephan ein
hochschulähnlicher Studienbetrieb geherrscht hatte.
    Durch Vermittlung eines Vetters fand
ich eine gute Bude bei einem tüchtigen Schuhmachermeister, der nebst seiner
Gattin um mein leibliches Wohl Sorge trug. Das Mittagessen verzehrte ich mit
einigen anderen Pennälern im Abonnement in einem Gasthof. Weil sich diese
Schüler einen männlichen Anstrich geben wollten, verzichteten sie großzügig auf
die Süßspeise zum Nachtisch, sobald sie in Gesellschaft waren. Allerdings nicht
ohne vorher eine Portion Pfeffer darauf zu streuen. Worauf sich meist nach
kurzer Zeit an einem Nachbartisch ein empörter Gast über seinen scheußlichen Nachtisch
beschwerte.
    Nach Tisch gingen wir oft in eine
nahegelegene Buchhandlung. Hier wurden wir bereits freudig erwartet, denn es
gab stets eine lebhafte Plauderstunde, wobei für uns mancher interessante
Literaturhinweis abfiel. Manchmal stöberten wir auch in dem Antiquariat der
zweiten

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