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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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Wahrheit »er trieb seine Gegner vor sich her« reichlich
bestätigt. Als ich nämlich als letzter mit meinem Boot eintrudelte, wurde mir
als Trostpreis die Patronenhülse des Startschusses feierlich überreicht.
Trotzdem habe ich diese lahme Ente sehr geliebt und verdanke ihr ungezählte
wunderbare Stunden auf dem Bodensee. Das Boot hieß »Praxedis« nach der Griechin
in Scheffels »Ekkehard«. Es war damals eine hübsche Sitte bei dem Jachtclub in
Friedrichshafen, die Boote nach Gestalten aus diesem Roman zu benennen. So gab
es eine Hadwig, den Ekkehard selber, Audifax, Wiborad und wie sie alle hießen.
Daß mein Boot so langsam war, lag daran, daß es im Verhältnis zu seiner
Segelfläche einen breiten und damit einen äußerst stabilen Rumpf hatte. Das war
ein Glück für mich, da mein Unternehmungsgeist im umgekehrten Verhältnis zu
meinem seglerischen Können stand. Der Wagemut, mit dem ich bei Sturm, wenn
wesentlich größere Boote den Hafen aufsuchten, mit ein paar Gleichgesinnten auf
den See hinaus segelte, hätte bei einem leichteren Boot zur Katastrophe
geführt. So passierte es uns höchstens, daß die Wasserpolizei uns aufforderte,
endlich in den Hafen zu verschwinden. Aber auch das kam selten vor. Die
Polizisten hatten sich schon daran gewöhnt, die Praxedis bei Sturm draußen zu
sehen und hielten mich irrtümlich für einen guten Segler.
    Die Praxedis diente mir auch als eine
Art Hausboot, als ich während meiner Ferien auf die Idee kam, meine Finanzen
dadurch aufzubessern, daß ich Fachkurse für Gärtnergehilfen und -lehrlinge in
den verschiedenen Bodenseestädten abhielt.
    Als
ich mein Studium plante, entschied ich mich für Naturwissenschaften, weil diese
dem Gartenbau am nächsten verwandt waren. Um einen geeigneten Abschluß zu
haben, dachte ich an die beiden Staatsprüfungen für das höhere Lehramt. Dies
war damals ein Berechtigungsexamen, und es bestand deshalb in Bayern ein
Numerus clausus. Als Württemberger hatte ich also in Bayern keine Aussicht.
Deshalb setzte ich im Wintersemester 1927/28 mein Studium an der Technischen
Hochschule Stuttgart fort. Nach dem alten Spruch »Verwandte Brüder finden sich
zu Wasser und zu Land« fühlte ich mich stark zur Landsmannschaft Saxonia hingezogen,
deren Aktivitas im Vorstande des Asta, beim Hochschulsport und am Biertisch
glänzend vertreten war. Außerdem hatten die Mitglieder dieser
Studentenverbindung den Ruf, auf dem Paukboden ihren Mann zu stellen. Das alles
schien mir gerade das richtige für mich. In diesem Kreise fühlte ich mich dann
auch außerordentlich wohl. Im Gegensatz zu Weihenstephan, wo ich als Enfant
terrible galt, fanden hier meine Ansichten und Streiche volle Zustimmung, wenn
nicht sogar Beifall. Hier habe ich auch gelernt, meine Ansichten vorzutragen
und zu vertreten. Hier lernte ich, einem Angriff im Convent zu parieren, einen
guten Kompromiß zu schließen oder einen Beschluß selber zu formulieren. Auch
das Fechten und die Mensuren waren für meine Entwicklung wertvoll. Es galt, vor
den Hieben des Gegners nicht zu kneifen. Die Selbstbeherrschung, die ich dabei
lernte, machte mich auch im späteren Leben in manchen Situationen zum Steher,
in denen ich sonst kapituliert hätte. So halte ich auch heute noch die
studentischen Korporationen für ein wertvolles Erziehungsmittel unserer
studierenden Jugend. Im Sommersemester 1928 bezog ich die Alma mater
Tubingensis. Bei der Suche nach einem geeigneten Quartier in Tübingen achtete
ich besonders darauf, in der Nähe des Botanischen Instituts unterzukommen, da
ich meinen Studienschwerpunkt auf die Botanik legen wollte. Das gelang mir
auch, nicht zuletzt weil ich am Beruf meines Vermieters keinen Anstoß nahm. Er
fuhr nämlich Leichentransporte im Auftrag der Universitätskliniken. Weil er die
Verstorbenen oft bis nach Norddeutschland befördern und deshalb morgens
frühzeitig starten mußte, holte er vielfach die Leichen am Spätnachmittag ab
und stellte den Wagen in die Garage. Da mein Zimmer neben dieser Garage lag,
hatte ich des öfteren einen Toten zum Nachbarn. Aber das störte mich nicht
weiter, dagegen störte mich um so mehr, daß mein Hauswirt, ein an sich
fleißiger Mann und guter Familienvater, Quartalssäufer war, der in betrunkenem
Zustand ziemlich handgreiflich wurde. Deshalb beschloß ich, mich erneut auf
Quartiersuche zu begeben. Zusammen mit einem Bundesbruder mietete ich mich im
Souterrain eines Neubaus ein. Eine Tür unserer Zweizimmerwohnung führte gleich
auf

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