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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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sofort tat.
Vier Tage später hing das Plakat an den Litfaßsäulen von Stuttgart und
Umgebung. Um zehn Uhr morgens erhielt ich dann auch einen erregten Anruf des
bereits erwähnten Hofrats. Hofrat: »D-do h-hängt ein Pla-Plakat!« Schöchle:
»Wo?« Hofrat: »An den Li-Litfaß-s-säulen, wo, wo i no net ge-gesehen habe.« Schöchle:
»Dann schicke ich Ihnen gleich eines zu.« Hofrat: »Net nötig, net nötig! Muß
zuerst ge-genehmigt werden.« Ich erklärte darauf, daß es dazu zu spät wäre,
denn die Plakate hingen schon, und außerdem wäre es höchste Zeit gewesen, weil
zwei Tage später die Ausstellung beginnen würde.
    Zusammen mit der Genehmigung der
Ausstellung wurden mir eine Anzahl Formulare eines Vertrages übersandt, der mit
den Ausstellern abgeschlossen werden sollte. Dieser Vertrag hatte es in sich;
jeder Absatz endete mit einer unfreundlichen Wendung wie »haftet der
Aussteller« — »kann nicht gestattet werden« — »ist verboten« — »hat der
Aussteller zu tragen«. Um doch noch etwas Positives in diesem Elaborat
anzuführen, stand am Ende der großmütige Satz: »Lediglich die Abgabe von Gießwasser
kann unentgeltlich erfolgen.« Daß ich mich hütete, ein solches Papier den
Ausstellern in die Hand zu drücken, ist begreiflich, denn dann wäre die
Ausstellung geplatzt.
    Außerdem forderte mich der Hofrat auch
auf, ihm sämtliche Gärtner mitzuteilen, mit denen ich verhandelte.
Vorsichtshalber nannte ich vorerst nur drei Namen von Gärtnern, auf die ich
mich verlassen konnte. Prompt erschien bei allen dreien der
Schloßgarteninspektor, der mit dem Hofrat korrespondierte, und riet ihnen
dringend ab, sich an der Ausstellung zu beteiligen. Die Folge war, daß mein
Vorgesetzter nur noch die Firmen erfuhr, die abgesagt hatten oder an deren
Beteiligung mir nichts lag. Mit der ersten Pressekonferenz kam die Stunde der
Wahrheit. Am nächsten Morgen klingelte wieder das Telefon, erregt stotterte der
Hofrat: »D-do sind ein Ha-Haufen A-Aussteller in der Zeitung, ho-hont die Kerle
scho u-unterschriebe?« Ich versicherte, daß sie das keinesfalls hätten. Worauf
er ins Telefon rief: »Lo-lont se blos koin rei, lo-lont se blos koin rei, sonst
saget die, de-des goht uns ga-gar nix a.« Ich wies darauf hin, daß es sich bei
den Ausstellern um Weltfirmen handelt, und daß es schließlich auch Treu und
Glauben gibt. »Treu und Glauben hin, Treu und Glauben her, b-bei da Akte muß ma’s
hon, an ha-halber Akt isch meh wert als zehn T-Treu und G-Glauben.«
    Bei dieser Gelegenheit hatte ich
eigentlich gegen alle Dienstvorschriften verstoßen, aber die Ausstellung war
ein unwahrscheinlicher Erfolg; die vorher kahlen Gewächshäuser waren in ein
Blütenparadies verwandelt und die Menschen drängten sich auf den Wegen der
Wilhelma. Die Presse, die bisher kaum Anlaß hatte, von der Wilhelma Kenntnis zu
nehmen, druckte lange Artikel, und der Rundfunk brachte seine erste Sendung aus
der Wilhelma.
    Diese Sendung sprach »das Gretle von
Strümpfelbach« mit dem bürgerlichen Namen Sophie Tschorn. Auch in den folgenden
Jahren besuchte sie mich häufig mit dem Mikrophon, um über den Rundfunk von der
Wilhelma und ihren blühenden Bewohnern zu erzählen. Damit erwies sie der Wilhelma
und mir manchen trefflichen Dienst.
    Leider wurde mir die Freude an der
Arbeit weiterhin getrübt, da auch der Schloßgarteninspektor seine Versuche
nicht aufgab, mich unmöglich zu machen. Er hatte eigentlich seinen Neffen für
den Posten des Wilhelma-Direktors ausersehen, und er war auch dafür
verantwortlich gewesen, daß diese Stelle in dem zweitrangigen
Gartenbaublättchen ausgeschrieben worden war. Sein Ränkespiel trieb er so
munter, daß ich mich im folgenden Frühjahr einer handfesten Anklage gegenübersah,
gespickt mit den übelsten Verdächtigungen. Als sich seine Anschuldigungen als
vollkommen haltlos und erfunden erwiesen, war er demaskiert und völlig
isoliert.
    Diese ständigen Intrigen hatten schon
1926 dazu geführt, die Gartendirektion aufzulösen, und die einzelnen
Abteilungen verschiedenen Inspektionen, Rentämtern und Bauämtern zu
unterstellen. Um die frühere Organisation gründlich zu zerschlagen, löste man
damals sogar die Anlagenaufseher aus dem Verband heraus und unterstellte sie
dem Hausverwalter des Kunstgebäudes. Der Wasserwärter und die Wegarbeiter der
Wilhelma gehörten zum Bezirksbauamt. Die gärtnerische Betreuung des
Rosensteinparks lag in den Händen des Leiters der Wilhelma, und der
Meiereiverwalter

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