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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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Garten, ohne zu ahnen,
daß ich hier einmal wirken würde.
    Aber das sollte sich bald ändern. Durch
den Vater eines Studienfreundes erhielt ich den Wink, daß die Stelle des
Leiters der Wilhelma zum Frühjahr neu besetzt würde, da der bisherige
Stelleninhaber altershalber ausscheiden würde. Merkwürdigerweise erschien die
Ausschreibung in einem völlig unbedeutenden Gärtnerblättchen. Aber das war mir
gerade recht, denn im Frühjahr 1933 war die Arbeitslosigkeit so groß, daß sich
auch um die kleinste Stelle ein Heer ausgezeichneter Experten bemühte. So war
es auch hier. Trotz der Tatsache, daß die Stelle mehr als schäbig dotiert war —
es wurde in der Ausschreibung nicht einmal ein Monatsgehalt, sondern ein
Tagegeld von DM 7,50 angeboten hatten sich über 70 zum Teil hervorragende
Fachleute, die ausgezeichnete Zeugnisse vorweisen konnten, beworben. Daß ich
trotzdem den Sieg davontrug, war in erster Linie darauf zurückzuführen, daß ich
es innerhalb von 8 Jahren vom Gärtnerstift ohne mittlere Reife zum
Studienassessor gebracht hatte. Es war ein großes Glück für mich, daß kein
Gartenbaufachmann die Auswahl traf, sondern Verwaltungsbeamte und ein
Forstmeister, sonst hätte ich bestimmt keine Aussicht gehabt.
    So war ich auf einmal fast der einzige,
der mit großer Ruhe die zweite Dienstprüfung ablegen konnte, da ich bereits
meinen Anstellungsvertrag in der Tasche hatte.
    Deshalb stieg ich äußerst wohlgemut in
die zweite Dienstprüfung mit dem schönen Gefühl, daß es das erstemal nicht mehr
»um die Wurst ging«. Es klappte auch alles recht ordentlich. In der mündlichen
Prüfung fiel mir rechtzeitig etwas Brauchbares ein, und in den Lehrproben
gelang es mir, die Schüler mitzureißen und die Prüfungskommission von meiner
Qualität als Lehrer zu überzeugen. Aber da nahte zuletzt doch noch das
Verhängnis in Form der Chemielehrprobe. In dieser Stunde wollte ich eine ganz
besondere Schau abziehen und baute Versuche auf, die für eine ganze Varietevorführung
nahezu abendfüllend gewesen wären. Da erscholl aus der Kommission eine Stimme
»Herr Kandidat, könnten sie das nicht auch auf der Tafel ausrechnen, die
Schüler hätten wesentlich mehr davon«. Geistesgegenwärtig erwiderte ich: »Das
halte ich auch für gut, aber mit Rücksicht auf den Ablauf der Versuche habe ich
das für die nächste Stunde vorgesehen.« Ich hoffte, daß ich damit die
gefährliche Klippe umschifft hätte. Aber weit gefehlt. Ich übersah, daß dieses
Kommissionsmitglied ein alter Schulmeister war, den man nicht davon abbringen
konnte, auch noch das Würzelchen des Würzelchens zu ergründen. So mußte ich
denn die chemischen Formeln an die Tafel schreiben und die ganze Berechnung
durchführen. Aber gerade davor graute es mir wie dem Teufel vor dem Weihwasser.
Ich konnte nämlich alles, nur nicht an die Tafel schreiben, und wenn ich dabei
noch rechnen sollte, so war es bei mir ganz aus. Zu allem Unglück war ich auf
diesen Punkt nicht vorbereitet. Kein Wunder also, daß ich bei der Rechnung
vollkommen durcheinandergeriet. Die Schüler amüsierten sich zwar köstlich, aber
das wurde mir von den Prüfern nicht als Verdienst angerechnet. Ich wurde
nervös, und so gingen auch die Versuche restlos daneben. Damit konnte ich
wenigstens einen Superlativ für mich buchen, nämlich den, die schlechteste
Lehrprobe unseres Jahrgangs gehalten zu haben. Da die übrigen Lehrproben recht
ordentlich verlaufen waren, und ich auch sonst beachtlich abschnitt, hatte ich
zwar bestanden, mußte aber diese Lehrprobe im folgenden Jahr wiederholen. Mit
anderen Worten, ich hatte einen Schwanz. Das war für mich weiter nicht schlimm,
denn ich hatte ja meine Stellung und konnte ein Jahr später in ein paar Tagen
Urlaub die Scharte auswetzen.
    Im folgenden Jahr wählte ich statt
Chemie Geologie. Dies war nach der Prüfungsordnung möglich, und ich vermied auf
alle Fälle, daß ich mich wieder an der Tafel produzieren mußte. Aber auch diese
Spekulation wäre beinahe danebengegangen, denn gerade der Professor, der mich
in der geplatzten Lehrprobe durch seine Forderung in Schwulitäten brachte,
mußte das Thema meiner Lehrprobe benennen. Er wollte von mir das Thema
Alpenfaltung erläutert wissen. Da mir bekannt war, daß er großen Wert auf die
sogenannte Deckentheorie legte, die er sicher an der Tafel demonstriert haben
wollte, mußte ich mir etwas einfallen lassen, das ihn so faszinierte, daß er
gar nicht auf die Idee kam, von mir zu verlangen, eine

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