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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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der Blätterwald so dicht, daß man sich dazwischen kaum
mehr bewegen konnte. So war, wie gesagt, das Geschäft mit Bad Mergentheim sehr
günstig. Ich konnte die überflüssigen Palmen an den Mann bringen und bekam
dafür Kakteen für 20 000 Mark, ein für das Jahr 1935 außerordentlicher Betrag.
    Gleichzeitig vergrößerte ich die
Frühbeetanlagen auf die nahezu dreifache Fläche und holte aus den Botanischen
Gärten München, Tübingen, Würzburg, Heidelberg, Freiburg und Erlangen große
Mengen Vermehrungsmaterial und Jungpflanzen wertvoller Gewächse, so daß ich die
im Sommer ausgeräumten Azaleen- und Kamelienhäuser mit einer bunten Fülle
herrlich blühender tropischer Pflanzen füllen konnte. Durch die Erweiterung des
Anzuchtbetriebes konnte ich auch die Bepflanzung des Freilands wesentlich
reicher gestalten.
    So war aus den im Sommer verödeten
Gewächshäusern eine farbenprächtige Blütengalerie geworden. Ein ganz besonderer
Triumph war für mich die maßlose Überraschung der Vertreter der Bauabteilung
des Finanzministeriums, insbesondere ihres Präsidenten, als sie die Wilhelma
besuchten. Die erste Reaktion der Herren war allerdings die Frage nach der
Finanzierung. Als sie hörten, daß der Haushaltsplan um keinen Pfennig überschritten
war, atmeten sie hörbar auf. Allerdings war ihnen vollkommen unbegreiflich, daß
ich in so großzügiger Weise von den obengenannten Gärten unterstützt und mit
wertvollsten Pflanzen bedacht worden war, ohne auch nur einen Pfennig dafür
bezahlen zu müssen.
    Hier ist zu erwähnen, daß 150 bis 200
botanische Gärten der ganzen Welt zu einem internationalen Samentausch-Bund
zusammengeschlossen sind, in den ich die Wilhelma einführte. Das heißt, jeder
Garten sammelt die bei ihm anfallenden Sämereien und möglichst noch
Wildsämereien einheimischer Pflanzen. Eine Liste dieser Samen wird alljährlich
sämtlichen angeschlossenen Gärten zugeschickt. Diese erhalten alle gewünschten
Sämereien portofrei und kostenlos zugesandt, gleichgültig ob der versendende
Garten vom Empfänger andere Sämereien anfordert oder nicht. Diese Großzügigkeit
dehnt sich auch auf Stecklinge und ausgewachsene Pflanzen aus.
     
     
     

Der Bräutigam hat
ein Loch im Schuh
     
     
    Meine Urlaubstage verbrachte ich nach
wie vor am Bodensee, und einer wundervollen Pfingstfahrt dorthin verdanke ich
die Bekanntschaft meiner zukünftigen Frau. Als ich in Friedrichshafen den Zug
bestieg, verließ eine reizende junge Dame das Abteil, um sich von ihren
Bekannten auf dem Bahnsteig zu verabschieden. Da in diesem Abteil nur ein
Fensterplatz belegt war, setzte ich mich auf den anderen. Bald kam sie zurück,
nahm aber von ihrem Gegenüber keine Notiz und versenkte sich in eine
Illustrierte. Dann kam ein Segler der Friedrichshafener Schülerabteilung ins
Abteil, wir begrüßten uns, und bald begann eine lebhafte Unterhaltung zwischen
uns. Der junge Mann hatte gerade die Reifeprüfung bestanden und sich in
Tübingen eingeschrieben. Da er unverkennbar die Absicht hatte, die junge Dame
zu beeindrucken, zog er eine riesige Schau ab. Zuletzt konnte unsere
Reisegenossin nicht mehr anders, sie mußte lächeln, ob sie wollte oder nicht.
Zumal ich gemein genug war, den armen Knaben gründlich auf den Arm zu nehmen.
Ohne daß sie es merkte, war sie bald in die Unterhaltung einbezogen. Dabei
zeigte sie einen scharfen Verstand und unglaublich viel Humor. Der junge
Himmelsstürmer stieg in Ulm aus, aber die Unterhaltung ging munter weiter, denn
wir verstanden uns ausgezeichnet. Als wir in Stuttgart angekommen waren, regte
ich ein erneutes Treffen an. Das wurde von ihr zwar dankend abgelehnt, nach
Hause begleiten durfte ich sie auch nicht, aber sie gab mir ihre Telefonnummer.
Allerdings mußte ich, um die Nummer aufzuschreiben, von ihr einen Bleistift
entleihen, da ich natürlich keinen bei mir hatte. Am Telefon konnte ich ihr
ein, wie sie betonte, einmaliges Treffen abschwatzen, das sich jedoch sehr oft
wiederholte. Zuletzt wurden unsere Wanderungen eine regelmäßige Einrichtung.
Dabei mußte die Arme langatmige naturwissenschaftliche Erklärungen aus Botanik,
Zoologie und Geologie über sich ergehen lassen. Aber sie tat es mit
beispielloser Geduld. Bald waren wir unzertrennlich, und als mich mein Vater in
Stuttgart besuchte, machte ich ihn mit der jungen Dame bekannt. Zu meiner
Befriedigung entsprach sie auch seinem Geschmack. Inzwischen war der Winter
vergangen, und da sich meine finanzielle Situation erheblich

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