Das Schlitzohr
Haushaltsjahr 1953 begann am 1.
April, aber ich konnte trotzdem noch nicht über die vorgesehenen Mittel
verfügen. Das war erst möglich, wenn der Haushaltsplan vom Landtag
verabschiedet und damit genehmigt war. Mit Rücksicht auf die Gründung des
Bundeslandes Baden-Württemberg verzögerte sich aber gerade in diesem Jahr die
Aufstellung des Haushalts und seine Lesung im Landtag um mehr als ein halbes
Jahr, so daß es erst im Februar 1954 zum Abschluß eines Vertrages mit der Stadt
Ludwigsburg und zur Gründung einer GmbH als Trägerin dieser Gartenschau kam.
Erst jetzt hätte ich eigentlich mit den
Vorbereitungen für diese Gartenschau richtig beginnen können. Dabei lag der
Termin 1954 dank der Jubiläen des Schlosses und des Gärtnereiverbandes bereits
fest. Man konnte aber unmöglich eine Gartenschau dieses Ausmaßes in einem
Vierteljahr vorbereiten. Waren doch allein im südlichen Schloßgarten 100 000
Kubikmeter Erde zu bewegen. Erst nach dieser Erdbewegung konnten die Wege
gebaut, Hecken gepflanzt, Blumenbeete angelegt und Rasen angesät werden.
Ähnlich sah es im eigentlichen Schloßpark aus. Hier waren zwei große
Treppenanlagen mit über hundert Stufen zu bauen. Die Wege mußten in
entsprechender Breite neu angelegt werden. Die vorgesehenen
Rhododendronpflanzen erforderten die Beschaffung riesiger Torfmengen. Das ganze
Gelände mußte eingefriedet werden. Zur Versorgung der Besucher sollten ein
Festzelt, eine Milchbar und ein Kaffeerestaurant sowie neun Verkaufsstände errichtet
werden. Für diese Vorhaben war schon die Zeit von April 1952 bis Ende April
1954 sehr knapp. Das sah auch das Ministerium ein, und ich erhielt noch 1952
die Genehmigung, im Rahmen der vorhandenen Mittel mit den Vorbereitungen zu
beginnen. Dabei wurde mir vom Minister persönlich nahegelegt, jede
Veröffentlichung des Projekts zu verhindern. So konnte ich, bis die Ausstellung
vom Landtag genehmigt war, keinerlei Werbung machen, geschweige denn unter den
Gartenarchitekten einen Ideenwettbewerb ausschreiben. Gerade dies wurde mir
aber von den freischaffenden Gartenarchitekten übelgenommen. Die Kollegen
konnten sich gar nicht vorstellen, daß ich aufgrund der Verhältnisse nicht in
der Lage war, einen derartigen Wettbewerb zu veranstalten.
Einen weit größeren Kummer hätte mir
die Bedingung bereiten können, »im Rahmen der vorhandenen Mittel« die
Vorbereitungen zu beginnen, denn Mittel waren eigentlich gar keine vorhanden.
Aber da half der schon zitierte Planvermerk. Demzufolge konnte ich Mehrausgaben
in Höhe der Mehreinnahmen machen, und die waren dank der Erhöhung der
Eintrittsgelder der Wilhelma um 60 Prozent so gewaltig, daß sie bei genauer
Kalkulation ausreichten.
Wir improvisierten, wo es ging, und wir
hatten auch bald einen Stamm fleißiger und tüchtiger Arbeitskräfte, da damals
sehr viele Landwirte aus der Ostzone kamen. Dank der Vermittlung des
Verkehrsdirektors von Ludwigsburg, Herrn Fleck, bekamen wir von der
amerikanischen Truppe zwei große Planierraupen gestellt, die die Erdbewegungen
im Schloßgarten übernahmen. Die einzige Gegenleistung waren Coca Cola und
Rostbraten für die Raupenfahrer. Wir brauchten noch nicht einmal den Treibstoff
zu bezahlen, weil diese Tätigkeit als willkommene militärische Übung betrachtet
wurde.
Da die Stadt Ludwigsburg auf meine Anregung
gleichzeitig das offene Abwassergerinne eindolte, das unter dem Namen Tälesbach
den unteren Schloßpark durchfloß und dabei mit seinen üblen Düften die Luft
verpestete, waren überall riesige Erdberge zu sehen. Das Gelände hatte mehr
Ähnlichkeit mit einer Mammutbaustelle als mit einem Park. Deshalb machte auch
der Finanzminister große Augen, als er im Frühjahr 1953 den Fortgang der
Arbeiten in Augenschein nahm. Er hatte wohl andere Vorstellungen von den
Vorbereitungen »im Rahmen der vorhandenen Mittel«. Er dachte, daß irgendwo ein
paar Bäume oder Büsche gepflanzt, Blumenbeete angelegt und etwas Rasen angesät
würde. Nicht eben fröhlich fuhr er deshalb an diesem Tage nach Stuttgart
zurück. Freilich nicht ohne mich nochmals zu ermahnen, keine Presseleute in das
Gebiet zu lassen.
Das nützte allerdings wenig, denn man
konnte die Erdbewegungen nicht verbergen und Dr. Gebhard Müller, der
Ministerpräsident unseres Landes, wohnte gerade dem Schloßgarten gegenüber. So
kam er täglich zweimal an unserer größten Baugrube vorbei. Das war ihm
irgendwie peinlich, denn er wußte um die Hintergründe, aber er zeigte
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