Das Schlitzohr
wie möglich ab, um eine Änderung zu verhindern, denn ich hatte unter
anderem folgenden Satz eingeschmuggelt: »Die Tiere sind inzwischen ein so
wesentlicher Bestandteil der Wilhelma und ein so interessantes Erlebnis für
ihre Besucher geworden, daß man sie sich ohne Tiere gar nicht mehr vorstellen
kann.« Anläßlich der Jubiläumsfeier wurde auch das Kleinraubtierhaus hinter der
Damaszenerwache eröffnet. Wir hatten es mit eigenen Mitteln und Handwerkern aus
einer alten, baufälligen Voliere gebaut. Wildkatzen, Tigerkatzen, Zibetkatzen,
Luchse, Silberlöwen, Ozelot, Servale, Ichneumon und Weißschwanzmangusten fanden
dort ihr Zuhause.
Was niemand für möglich gehalten hatte,
trat ein. Auch dieses Jahr brachte eine weitere Steigerung der Besucherzahlen
und damit der Einnahmen. Das Geld brauchte ich auch ganz dringend, denn die
Vorbereitungen für die Jubiläumsgartenschau in Ludwigsburg liefen auf höchsten
Touren.
»Jetzt hat der Chef
den Verstand verloren«
Der Schloßpark in Ludwigsburg lag für
Jahrzehnte im tiefsten Dornröschenschlaf. 1947 war er mir unterstellt worden,
aber erst nach der Währungsreform konnten wir an eine Sanierung denken.
Der erste Schritt war die Neubesetzung
der Stelle des ausscheidenden Obergärtners. Zufällig suchte Garteninspektor
Redmann, den ich während des Krieges bei der Zivilverwaltung in Lemberg
kennengelernt hatte, einen Arbeitsplatz, Als ich damals mit ihm zu tun hatte,
imponierte mir seine absolut saubere Haltung und die Art, wie er sich mutig für
die Interessen seiner polnischen Mitarbeiter einsetzte. Ich hätte keinen
besseren Griff tun können. Trotz der anfänglich wirklich schlechten Bezahlung
engagierte er sich voll und ganz für den Schloßgarten Ludwigsburg und war bis
zu seinem Ausscheiden aus Altersgründen die Seele des Blühenden Barocks. Mit
ihm hatte ich auch die berechtigte Aussicht, den total verwilderten Park hinter
dem Schloß wieder in Ordnung zu bringen. Diesmal waren es die Denkmalschützer,
die uns an einer gründlichen Durchforstung hindern wollten.
Eines Tages legte mir Herr Redmann ein
Plakat vor, darauf war ein Mann mit einem Stock zu sehen und darunter stand der
lapidare Satz: »Wer hat diesen Mann gesehen?« Es handelte sich um das
Phantombild des mutmaßlichen Entführers eines Mädchens, das vermutlich im
Schloßpark verschwunden war. Sofort rief ich den Polizeidirektor von
Ludwigsburg an. Dieser wollte sich entschuldigen, daß er das Plakat ohne unser
Einverständnis an den Bäumen des Parks anschlagen ließ. Zu seinem Erstaunen
erklärte ich ihm, daß er mir keinen größeren Gefallen erweisen könnte, als noch
weitere hundert Plakate an den Bäumen zu befestigen. Dann verabredeten wir eine
Pressekonferenz, in der wir die unhaltbaren Zustände im Ludwigsburger
Schloßpark schilderten. Drei besonders schwerwiegende Beispiele konnten wir
anführen: 1. das Verschwinden des Mädchens, 2. den Unterschlupf eines
Raubmörders in einer Höhle beim Wasserfall bei der Emichsburg, und 3. den
Umstand, daß aus der Sanddole, einem unterirdischen Gang, der als Abwasserkanal
diente, zwei Lastwagen Diebesgut von der Polizei herausgeholt worden waren.
Die Zeitungen brachten dies in großer
Aufmachung. Sie berichteten auch, daß wir durch Auslichten des Geländes
derartige Dinge unmöglich machen würden. Zwar waren die Denkmalpfleger gegen
die Veränderung des Parkes, aber bis sie sich von ihrem Schreck erholt hatten,
waren wir mit unserer Arbeit fertig.
Das zweite Ereignis, das uns vorwärts
brachte, war der schon früher erwähnte Planvermerk im Haushaltsplan. Die
staatlichen Gärten waren ein gemeinsamer Betrieb, und ich konnte deshalb Mittel
aus den Mehreinnahmen der Wilhelma für Ludwigsburg einsetzen. Trotz der
günstigen Umstände war es unmöglich, die Anlagen von Ludwigsburg mit den
vorhandenen Mitteln zu sanieren. Es mußte zu viel erneuert, verbessert und
beseitigt werden. Das erforderte sehr viel Geld, das auf gar keinen Fall vom
Finanzministerium zu bekommen war. Schließlich lagen das Kriegsende und die
Währungsreform erst wenige Jahre hinter uns, und man hatte wirklich andere
Sorgen als die Sanierung des Schloßgartens in Ludwigsburg, der ohnehin nur als
eine unerfreuliche Belastung des Etats empfunden wurde. Wir mußten also eine
andere Lösung finden.
Beim Besuch der äußerst mäßigen
Bundesgartenschau 1951 in Hannover gewann ich die Überzeugung, daß wir in
Ludwigsburg eine wesentlich bessere Schau aufziehen
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