Das Schlitzohr
Sträuchern verborgen waren. Dabei legten wir ihre
Ausmaße so fest, daß sie durch die Eigenwärme der Tiere beheizt wurden und sich
harmonisch in das Gelände einfügten. Zu unserem eigenen Erstaunen hatten wir
dadurch einen nahezu idealen Haustyp entwickelt, der als Nachtquartier für eine
verhältnismäßig große Zahl von Tieren geeignet war. Bei den beiden Flächen
längs der südlichen Allee verzichteten wir sogar auf sämtliche Unterkünfte und
brachten hier nur Vögel unter, die keinen geschlossenen Raum annehmen.
Zwei weitere Ereignisse aus dem Jahre
1952 möchte ich noch kurz anfügen. Durch eine Personalveränderung konnte ich
Herrn Jocher, einen meiner erfahrensten Mitarbeiter, mit der Oberaufsicht über
den gesamten Tierbestand betrauen. Außerdem wurde die Wilhelma als Lehrbetrieb
für Tierpfleger anerkannt.
Der Hauptgrund, mich dafür einzusetzen,
war die finanzielle Besserstellung meiner in der Tierpflege tätigen
Mitarbeiter. Solange Tierpflege kein Lehrberuf war, konnten auch die
tüchtigsten Leute nur als ungelernte Arbeiter bezahlt werden. Ich hatte deshalb
mit der Abteilung Landwirtschaft beim Regierungspräsidium verhandelt und stieß
dort auf volles Verständnis. Aufgrund meines Staatsexamens in Zoologie und
meiner Tätigkeit in der Wilhelma wurde ich zum Lehrmeister ernannt. Jetzt
konnten wir den ersten Tierpflegerlehrling einstellen, und die älteren
Mitarbeiter kamen nach einer Übergangsprüfung in den Genuß besserer Bezahlung.
Das Jahr 1953 brachte uns die
Konsolidierung des Tierbestandes in der Wilhelma. Durch die verschiedenen
Ausstellungen hatten wir zwar eine Vielzahl von Tieren, aber es war doch ein
ziemlich wahllos zusammengewürfelter Haufen. Es galt deshalb, die Sammlung nach
zoologischen Gesichtspunkten auszubauen, denn eine reine Anhäufung von Tieren
ist ebenso unbefriedigend, wie etwa das Sammeln von Briefmarken oder Münzen
ohne System. Ganz abgesehen davon, daß ja das Publikum eine Übersicht über die
zahlreichen Arten und Rassen bekommen sollte. Wir wollten dem interessierten
Besucher die Möglichkeit bieten, gewissermaßen eine Reise um den Erdball zu
machen, um die Schönheit und Mannigfaltigkeit der Tier- und Pflanzenwelt zu
erleben. Drei wesentliche Stationen auf dem Weg zu diesem Ziel finden sich im
Jahr 1953: 1. die Tombola auf dem Schloßplatz, die wir gemeinsam mit dem ADAC
veranstalteten, 2. der 100. Geburtstag der Wilhelma, 3. die Eröffnung des
Kleinraubtierhauses.
Da natürlich ein staatlicher Betrieb
auf keinen Fall eine Tombola veranstalten und ebensowenig dafür Sachspenden bei
Geschäftsleuten sammeln konnte, mußte ich einen anderen Träger für diese
Veranstaltung suchen. Was lag da näher als der Württembergische
Gartenbauverein, dessen Vorsitzender ich war. Die Hauptgewinne der Tombola
waren ein Holzhaus, das auf dem Schloßplatz aufgestellt war und während der
Veranstaltung der Tombola als Büro diente, sowie einige Volkswagen. Dazu hatten
Stuttgarter Firmen Kühlschränke, Küchenmaschinen, Fotoapparate, Staubsauger und
andere damals noch sehr begehrte Artikel gestiftet. Die Eröffnung hatte
Innenminister Fritz Ulrich übernommen. Der Rummel in den ersten Wochen war
unbeschreiblich. Selbst ich hätte, wenn ich das vorausgesehen hätte, kaum den
Mut aufgebracht, diese Tombola zu veranstalten. Zum Glück hatte ich im ADAC
einen Partner, auf den ich bei meinen Vorgesetzten im Ministerium einiges
schieben konnte.
Als sich für die Wilhelma ein Reinerlös
von über 150 000 DM ergab, legte sich ihr Groll, aber sie versuchten sofort,
die Summe zu vereinnahmen. Da hatten sie aber die Rechnung ohne den
»Vorsitzenden Schöchle« gemacht. Der Württembergische Gartenverein behielt sich
die Verfügung über das Geld zugunsten der Wilhelma vor. Zur Vorsicht ließ ich
den Briefwechsel mit dem Ministerium von meinem Stellvertreter im Vorstand des
Vereins unterschreiben. So hatte die Wilhelma einen beachtlichen Notgroschen
für Vorhaben, die das Bauamt nicht genehmigen wollte und die ich deshalb aus
etatrechtlichen Gründen beim besten Willen nicht durchführen konnte.
Während der Tombolarummel auf dem
Schloßplatz in Stuttgart noch lief, bereiteten wir das Jubiläum der Wilhelma
vor.
Die Feier fand im Wilhelmatheater
statt, das damals als Kino genutzt wurde. Für die Festrede konnte ich den
Ministerialdirektor des Finanzministeriums, Staatsrat Vowinkel, gewinnen. Seine
Bedingung war, daß ich die Festrede entwarf. Ich lieferte sie allerdings so
spät
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