Das Schloss am See: Mittsommerherzen (German Edition)
einmal Ihren Namen.“ Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Meinen kennen Sie ja bereits.“
„Ich heiße Lisbet“, erwiderte sie zögernd. „Lisbet Carlsson.“ Sie runzelte die Stirn. „Hilda hat ein paarmal von Ihnen gesprochen, aber …“
Er zuckte mit den Schultern. „Offen gestanden: Ich war selbst überrascht zu erfahren, dass sie mich in ihrem Testament berücksichtigt hat. Meine Großmutter und Hilda waren Schwestern, doch sie verstanden sich nicht besonders gut. Nachdem Großmutter mit meiner Mutter nach Hamburg gegangen war, zu meinem Vater, hielten sie wohl nur noch sehr lockeren Kontakt. Ich erinnere mich, dass wir – mein Bruder und ich – einmal einen herrlichen Sommer in Schweden verbracht haben, aber danach brach der Kontakt wegen eines dummen Streits schließlich ganz ab.“
Lisbet schloss die Augen. Was mochte bloß in Hilda gefahren sein, ausgerechnet ihm Beringholm Slott zu vererben? Einem Menschen, den sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte!
„Verzeihen Sie, ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber …“ Er runzelte die Stirn. „Wie kommt es, dass Sie so überrascht sind? Ich meine, Ihnen muss doch klar gewesen sein, dass es einen Erben geben würde.“
Ja, dachte Lisbet mit ungewöhnlicher Bitterkeit. Mich …
Sie spürte, wie ihr schon wieder die Tränen kamen, doch sie blinzelte sie energisch fort. Nicht jetzt, und nicht ausgerechnet vor ihm!
„Natürlich“, sagte sie mit einem traurigen Lächeln. „Hilda war ja schon länger krank, daher konnte ich mir ausrechnen, dass sie … dass sie nicht mehr lange unter uns weilen würde.“ Sie schluckte. Die Vorstellung, ihre mütterliche Freundin niemals wiederzusehen, kam ihr immer noch ganz unwirklich vor. Manchmal glaubte sie immer noch, ihr ansteckendes Lachen zu hören. Doch Hilda würde nie wieder lachen. Sie ruhte für alle Zeiten auf dem Friedhof von Tålby, direkt an der Friedhofsmauer im Schatten einer prachtvollen Kastanie.
Jetzt konnte Lisbet doch nicht verhindern, dass ihre Augen feucht wurden.
„Schsch …“Hannes griff tröstend nach ihrer Hand. „Nicht wieder weinen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, aber … Ihre Großtante war ein ganz besonderer Mensch. Ich habe sie sehr gerngehabt. Umso weniger verstehe ich, warum sie sich nicht an unsere Vereinbarung gehalten hat.“
„Vereinbarung?“ Er hob eine Braue. Ein Anflug von Misstrauen überschattete sein Gesicht. „Was für eine Vereinbarung?“
Sie räusperte sich. „Nun, Sie haben sicher die vielen Tiere auf dem Grundstück von Beringholm Slott bemerkt.“ Als er nickte, fuhr sie fort: „Ihre Großtante und ich haben die meisten dieser bedauernswerten Kreaturen vor dem Gang zum Schlachthof bewahrt. Und wir haben außerdem …“
Mit einer knappen Handbewegung brachte er Lisbet zum Verstummen. „Machen wir es doch kurz. Ihrer Meinung nach hätte meine Großtante also
Ihnen
das Schloss überlassen sollen und nicht mir, richtig?“
Lisbet konnte seiner unergründlichen Miene nicht entnehmen, was er dachte. „So war es zwischen uns abgesprochen, ja.“ Sie nickte. „Und ich bin sicher, Hilda hätte gewollt, dass ich Beringholm Slott in ihrem Sinne weiterführe.“
Einen kurzen Moment lang herrschte Stille, dann brach er zu Lisbets Überraschung in schallendes Gelächter aus. „Das haben Sie sich so gedacht, was? Aber damit kommen Sie bei mir nicht weit, Schätzchen. Ich bin der rechtmäßige Erbe von Beringholm Slott, und Sie werden zusehen müssen, dass Sie mit Ihren Viechern irgendwo anders unterkriechen.“ Er kniff die Augen zusammen. „Bei der alten Dame konnten Sie mit Ihrer Masche vielleicht etwas erreichen, aber ich sage Ihnen eines: Ich bin weder die Wohlfahrt noch vom Tierschutzbund. Und eine Schmarotzerin erkenne ich noch immer, wenn ich einer begegne!“
Völlig perplex starrte Lisbet ihn an. Ihr war, als hätte man einen Eimer Eiswasser über ihrem Kopf ausgeleert. Einen Moment lang war sie vor Entsetzen wie gelähmt. Dann spürte sie, wie alle Dämme brachen und eine Woge tiefster Verzweiflung und Trostlosigkeit über sie hinwegrollte.
Sie sprang so abrupt auf, dass ihr Stuhl nach hinten wegkippte und laut scheppernd zu Boden fiel. Doch sie achtete nicht darauf.
Es gab nur noch eines, woran sie denken konnte: Raus hier, bevor sie vor den Augen dieses gefühllosen Mannes schon wieder in Tränen ausbrach!
Weinend flüchtete Lisbet aus dem Gebäude und durch den Torgang hinaus auf die Weide. Sie
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