Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Mannes. So gingen sie im Park spazieren, bis Sassner auf eine der weißen Bänke zeigte. Er bezwang sich, man sah es ganz deutlich, wenn man seine Augen und die Lippen betrachtete … im Blick war ein unstetes Flackern, die Mundwinkel zuckten wie unter dauernden elektrischen Schlägen. Er roch wieder das Pulver in der Luft, vermißte seinen Freund Benno Berneck, und wenn er in den blauen Himmel starrte, hatte er plötzlich Angst, die weißen Wolken könnten auf ihn herunterstürzen. Als eine Wolke genau über sie hinwegzog, hob er die Schultern, sein Kopf verkroch sich fast, die Hände zitterten.
    Sie fällt herunter, dachte er und hätte laut schreien können. Sie fällt auf uns! Hilfe! Wir werden begraben, wir ersticken! Mit einem wilden Ruck riß er Luise an sich, umarmte sie, küßte sie, und eng umschlungen, aneinandergepreßt, blieb er mit ihr stehen und atmete erst freier, als die Wolke vorbeigezogen war.
    »Ich muß etwas mit dir besprechen, Gerd«, sagte sie, als sie auf der Bank saßen. Sassner hatte den Kopf weit zurückgelehnt und atmete stoßweise. Es war ein Anblick, der ihr Herz zerschnitt.
    »Sprich, mein Rehlein …«
    »Ich komme von Professor Dorian.«
    »Ein fabelhafter Mensch.«
    »Er hält es für notwendig, dich zu operieren.«
    Schweigen. Gerd Sassner starrte in den blauen, vorübergehend wolkenlosen Himmel. Nur vor den Bergen schwebten die Wolken dahin, eine sogar tiefer als die Felswand. Wie gut, daß sie dort herunterfällt und nicht auf uns hier, dachte er zufrieden.
    »Operieren?« Sassner breitete die Arme aus. Plötzlich roch er die Blumenbeete in der Nähe, den herben Duft frisch gesprengter Erde. Es war also doch die Wolke, die mir alles wegnahm, dachte er. Eine Wolke aus Pulverdampf. Pfui Teufel! Daß man dagegen nichts unternehmen kann!
    »Es ist nur ein kleiner Eingriff«, sagte Luise tapfer. Sie streichelte Gerds Haar und küßte ihn auf die Wange, und während sie weiter sprach, stieg das Schluchzen in ihr hoch und klammerte sich an den Gaumenwänden fest, und sie preßte es zurück und gab ihrer Stimme einen unbekümmerten Klang und streichelte immer wieder sein Haar, das vom warmen Wind etwas zerzaust war. »Der Professor sagt, du merkst nichts davon. Aber hinterher … die Nerven werden ganz ruhig sein. Ein kleiner Eingriff, Gerd …«
    »Ein Blinddarm am Kopf!« Sassner lachte. Es klang wie früher, tief und fröhlich, aber dann brach es plötzlich ab, als zerspringe Glas. Er sah Luise kritisch an. Ein Blick, der in der Fabrik gefürchtet war. Meist kamen die Mitarbeiter dann wie durchs Wasser gezogen aus dem Chefbüro wieder heraus. »Ein Eingriff am Kopf ist immer eine verteufelte Sache!«
    »Professor Dorian hat eine sichere Hand, Gerd.«
    »Er ist genial auf seinem Gebiet, das weiß jeder. Aber mein Kopf.« Er umfaßte seinen Schädel mit beiden Händen. »Ein Kopf ist keine Kokosnuß, die man einfach aufschlägt und dann die Milch der frommen Denkungsart herausrinnen läßt.«
    »Das weiß Professor Dorian bestimmt besser als du, Gerd. Und wenn er es für richtig hält …« Luise zog seine Hände vom Kopf weg. Sassner sah verwirrt aus – er hörte von ganz fern ein schabendes Geräusch und konnte es sich nicht erklären. »Was meinst du, Gerd?«
    Sassner nickte. »Wissen es die Kinder?« fragte er plötzlich.
    »Nein.«
    »Die Kinder müssen es auch wissen, Rehlein. Wir sind eine glückliche Familie, wir haben immer zusammengehalten, wir haben alles gemeinsam erlebt … wir müssen auch die Kinder fragen, Luise. Wenn es unbedingt sein muß …«
    »Es … es ist besser so, Gerd.« Sie umarmte und küßte ihn und konnte nicht verhindern, daß sie nun doch schluchzte. Aber Sassner hörte es nicht … er beobachtete die Wolke an der Felswand vor sich. Sie hat sich auf die Felsen niedergelegt, dachte er. Man soll's nicht für möglich halten, was Wolken alles können! Klebt da am Berg, als sei sie mit Leim beschmiert. Die selbstklebende Wolke … an so etwas hat ja nicht einmal mein Forschungslabor gedacht. Man sollte das sofort Dr. Wiesmann mitteilen und den Klebstoff untersuchen. Das könnte ein Bombengeschäft werden: Der Sassner-Alleskleber, der sogar Wolken klebt!
    Eine Stunde später stand Luise wieder vor Professor Dorian. Sassner war im Gymnastikraum. Die Gymnastikstunde für leichte, ruhige Fälle gehörte zum Tagesprogramm.
    »Er ist einverstanden«, sagte sie mit gefalteten Händen, als bete sie. »Ich fahre morgen, um die Kinder zu holen …«
    Professor Dorian

Weitere Kostenlose Bücher