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Das Schloß der blauen Vögel

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Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der neuen Koppelung aus?
    Dorians Gedanken arbeiteten rasend wie Zahlenkolonnen in einem Computer. Es gibt keinen Fehler! Die Operation war gelungen. Als Sassner die Klinik Hohenschwandt verließ, war er gesund.
    »Was Sie da sagen, Frau Sassner, spricht alles für einen Unfall«, sagte Professor Dorian. »Ihr Mann rutschte am Steilhang ab.«
    »Und warum wollte er uns verlassen? Wir waren in der Nacht noch so glücklich miteinander …« Sie wandte den Kopf zu Dorian. Ihr Blick bettelte um eine Erklärung. »Sagen Sie die Wahrheit, Herr Professor. Wir sind unter uns, es hört uns niemand. Gerd war sehr krank, Sie wollten ihn heilen, Sie waren ungeheuer mutig, Sie haben gewagt, was noch kein Arzt vor Ihnen gewagt hat … aber … es mißlang … Ist es so, Herr Professor?«
    »Nein!« Dorian sah auf seine Hände. »Er war gesund. Was war das letzte, was er sagte, was er tat?«
    »Er küßte mich, deckte mich zu und sagte: ›Schlaf gut, Rehlein‹.«
    Luises Kopf sank in beide Hände. »Dann muß es passiert sein.«
    »Was?«
    »Ein neuer Anfall, ein neuer Wahnsinn … ich weiß nicht, wie man das nennt. Er ist vor uns geflüchtet … oder vor sich selbst. Und dann in den See …«
    »Vielleicht war es so.« Dorian wischte sich mit dem Taschentuch über das Gesicht. Er kam sich ausgeleert vor, wie von aller Kraft beraubt. »Wenn das die Wahrheit ist – wir werden es nie erfahren –, war das Schicksal nicht gemein, sondern gnädig. Dann müssen wir bei allem Schmerz dankbar sein.«
    »Und Sie, Herr Professor?«
    Dorian stand auf und trat ans Fenster. Der Regen rauschte gegen die Wände und auf die Wälder. Es gab keinen Himmel mehr, nur noch ein nasses Grau, in dem die Landschaft zerfloß.
    »Ich kapituliere nicht!« sagte er. »Jeder neue Weg muß erst von Steinen gesäubert werden …«
    Nach drei Tagen wurde Gerd Sassner in Freudenstadt protokollarisch von der Staatsanwaltschaft als vermißt und vermutlich tödlich verunglückt erklärt. Eine amtliche Totenerklärung war nicht möglich, solange man die Leiche nicht aus dem See geborgen hatte.
    »Das ist nur eine Frage der Zeit«, sagte der Staatsanwalt zu Dorian, der für Luise alle amtlichen Gänge übernommen hatte. »Ich überlege schon, ob wir nicht einen Taucher einsetzen sollen. Sassner war Alleinbesitzer der großen chemischen Fabrik. Wir müssen schon wegen der Geschäftsfähigkeit der Witwe eine klare Rechtslage schaffen. Wenn die Leiche bis Ende der Woche nicht von selbst hochkommt, muß ein Taucher her.«
    Peinlich berührt verließ Professor Dorian die Staatsanwaltschaft. Die nüchterne Sprache der Juristen haßte er. Für sie ist ein Toter ein Aktenfall. Für Dorian war es mehr … mit Sassner war auch sein Lebenswerk im See versunken, der lebende Beweis, daß man ein Gehirn regulieren kann, daß die Seele plötzlich greifbar ist. Die Seele, von der der Medizinpapst Virchow sagte: »Ich habe Tausende von Körpern seziert … eine Seele habe ich nie gefunden!«
    Dorian hatte sie gefunden und nun wieder verloren.
    »Wir müssen Herrn Sassner finden«, hatte er noch zu dem Staatsanwalt gesagt. »Tun Sie alles in dieser Richtung.«
    Und man tat es.
    Man ließ aus Karlsruhe einen Taucher kommen. Im Gummianzug, mit rundem, verschraubtem Helm, einem starken Scheinwerfer vor der Brust und dicken Bleisohlen an den Stiefeln, wurde er an einem Drahtseil in den See gelassen. Die Winde spulte ab.
    »Vierundzwanzig Meter!« sagte jemand. Das Telefon schrillte. Durch ein Mikrofon in dem großen Helm war der Taucher mit dem Boot verbunden.
    »Was sagt er?« fragte Polizeimeister Hiemeyer den Mann an der Drahtseilwinde.
    »Unten ist ein verdammter Schlamm. Er geht jetzt mit der Strömung zum Südufer. Die Strömung ist so stark, daß es für den Toten gar keinen anderen Weg gibt. Wahrscheinlich ist er nahe dem Südufer, wo der Boden ansteigt, zwischen Steinen festgeklemmt.«
    Viermal ging der Taucher aus Karlsruhe in die Tiefe des Sees. Immer wieder schritt er den Weg ab, den die Strömung vorzeichnete. Er leuchtete die Felsen unter dem Wasser ab. Quadratmeter nach Quadratmeter. Dann zog er an der Signalleine. Die kleine Transportwinde neben der Hauptwinde rumpelte los. Der Materialsack kam nach oben. Ein kleiner Gegenstand beulte ihn aus.
    »Das kann doch unmöglich ein erwachsener Mann sein!« sagte der Polizeimeister Hiemeyer heiser.
    Der Sack wurde ins Boot gezogen, mit Gummihandschuhen öffnete man ihn. Ein kleiner, verwester Körper lag darin, ein nackter,

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