Das Schloß der blauen Vögel
Forschungen müssen weitergehen. Ich brauche einen Operationssaal, zwei Krankenzimmer, einen Leichenraum, ein Laboratorium.«
»Hier?« stammelte Ilse Trapps.
»Ja, hier!« Sassner drehte sich um. Sie stand noch immer nackt in der Sonne, die durch das geöffnete Fenster flutete. Eine bäuerliche Venus, Symbol prallen Lebens. »Ich habe genaue Vorstellungen. Wir werden hier einen Klinikbetrieb aufmachen, wie er besser nicht in den Großstädten sein kann. Nur einen großen Vorteil haben wir allen anderen Kliniken voraus: Wir haben Ruhe! Wir können ungestört forschen. Wir haben keine Personalsorgen. Wir können uns ganz den Problemen hingeben.«
»Aber man wird dich doch vermissen … dort, wo du herkommst«, sagte Ilse Trapps. »Wo kommst du eigentlich her?«
»Vielleicht von einem anderen Stern? Glaube, daß ich von einem anderen Stern komme!«
»Und keiner vermißt dich?«
»Keiner! Ich bin allein auf dieser Welt. Ich habe nur dich.«
»Das ist schön.«
»Was ist schön!«
»Daß du nur mich hast.«
»Die Welt ist unvollkommen.« Sassner stand vor Ilse Trapps und legte die bemalten Blätter Papier auf ihre Brüste. »Wohin man sieht … Unvollkommenheit. Genies werden ausgelacht wie Harlekine, Hirnlose werden Politiker, Duckmäuser erklettern hohe Stellen, Idealisten nennt man Idioten, die Völker der Erde werden betrogen und jubeln ihren Blutsaugern zu, Raketen werden zum Mond geschossen, aber einen Heuschnupfen kann man nicht heilen, Milliarden zischen in den Himmel, aber in Asien sterben jährlich Millionen an Hunger, die Welt rüstet zur gegenseitigen Ausrottung, aber in den Hospitälern liegen die Kranken auf den Gängen, die Dahinsiechenden werden hinausgeworfen, weil es keine Betten gibt … Ist das eine Welt?« Sassners Hände spielten mit den Papieren. Dann lagen sie plötzlich still auf Ilse Trapps Brüsten. »Als Gott den Menschen schuf, war er ein Ingenieur, der eine Maschine konstruierte nach seinem Ebenbild. Aber ein Fehler unterlief ihm, ein kleiner Fehler nur … er verschraubte im Gehirn das Kästchen nicht richtig, in dem die Dummheit aufbewahrt wird. Ein Schräubchen lockerte sich, und aus dem lockeren Deckel entweicht nun die Dummheit wie ein Gas, das den ganzen Menschen vergiftet. Hier ist meine große Aufgabe: Ich werde in den Hirnen der Menschen diese Schraube anziehen! Ich werde die Dummheit wieder einsperren. Ich muß Gott korrigieren! Ich werde aus den Menschen wirklich sein Ebenbild machen! Die Erde wird glücklich sein, ein neues Paradies, wenn bei allen Menschen dieser Deckel über der Dummheit wieder befestigt ist. – Verstehst du das?«
»Ja.« Ilse Trapps starrte Sassner mit großen Augen an. Sie verstand nichts, aber sie hörte seine sonore Stimme, sie fühlte seine kräftigen Hände, sie sah seine Augen voll eines geheimnisvollen Feuers. »Ja«, sagte sie mit trockener Zunge. »Das ist wunderbar.«
»Ans Werk!« Sassner nahm die Papiere und schwenkte sie durch die Luft. »Richten wir die Klinik ein! Sofort! Das Gas der Dummheit kennt kein Zögern … je eher wir arbeitsfähig sind, um so schneller wird die Welt gesunden!«
Ilse Trapps wollte den Bademantel wieder anziehen, aber Sassner nahm ihn ihr aus der Hand. »Bleib so!« sagte er.
»Aber ich kann doch nicht nackt durchs Haus …«
»Warum nicht? Nackt ist etwas Reines! Ein Mensch wird nackt geboren, ein Vogel, eine Maus … wer nackt ist, versteht das Paradies.« Er trat zurück und musterte Ilse wieder mit etwas zusammengekniffenen Augen. »Du bist von einer vulkanischen Schönheit. Um deinen Kopf flammt es auf und um deinen Schoß. Das sind die zwei wichtigsten Landschaften im schönen Erdteil, der Mensch heißt. Der Kopf denkt, der Schoß empfängt … das sind Urelemente. Und beide stehen bei dir in Flammen!« Er strich über ihre kupferroten Haare und gab ihr einen Klaps auf das Hinterteil. »Hast du kurze weiße Schürzen?« fragte er.
»Ja. Servierschürzchen. Aber ich habe sie nie gebraucht. Egon kaufte sie mal, weil wir hier Hochzeit hatten. Aber dann trug ich sie doch nicht. Sogar diese dummen Häubchen hat Egon dazu gekauft. Als ob ich ein Häubchen tragen würde … wie die Stubenmädchen im Fernsehen …«
»Du wirst sie tragen!« Sassner warf den Bademantel auf das Bett.
»Geh, hol die Schürzen und Hauben.«
»Aber –«
»Geh!« Sassner senkte den Kopf. Seine Augen wurden dunkler.
»Seien wir uns darüber klar, roter Satan: Es gibt in unserem Wortschatz ein Wort nicht mehr, und das
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