Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Ständer und hielt es hoch.
    »In dem anderen Glas ist das Hirnkonzentrat, das ich im Film dem Affen injizierte. In den Schalen sind die Gehirne, aus denen ich das Wissen auf die anderen Affen übertrug.« Dorian stellte das Reagenzglas wieder zurück. »Ich habe mich vorgestern nacht mit Professor Cameron in Albany/New York telefonisch unterhalten. Wir sind auf dem gleichen Weg, er ist sogar einen Schritt voraus. Er hat einer achtzigjährigen Frau, die bereits ihren eigenen Namen vergessen hatte, irgendwelche Fragen dauernd wiederholte wie eine gerissene Grammophonplatte, also deutliche Zeichen von Senilität aufwies, RNS, die er aus Hefe herausfilterte, ins Hirn gespritzt. Nach zwei Stunden sprach diese Frau normal, erinnerte sich und baute ihre Vergreisung ab.« Dorian kam vom Tisch zurück zu Dr. Keller, der ihn wie einen Geist anstarrte. »Jetzt bin ich an der Reihe, Bernd. Ich werde noch einen Schritt weitergehen. Ich werde die RNS mit dem Gehirnextrakt kombinieren. Eine kluge, logisch denkende, das Erbe der Jahrhunderte in sich tragende neue Menschengeneration wird aus einer Spritze kommen. Zusammen mit meiner Methode der operativen Behandlung von Geisteskrankheiten durch Ausschalten und Umkoppeln einzelner Hirnfelder darf und kann es in zwei oder drei Generationen keine Geisteskranken mehr geben.« Dorian reckte sich, als habe er stundenlang krumm gesessen. »Das ist meine Aufgabe, Bernd. Das sollte auch deine werden. Und nun zieh weg von hier und mach eine Vorstadtpraxis auf …«
    Dr. Keller erhob sich. Er taumelte etwas, als er auf Dorian zuging. Er fühlte sich wie zerschlagen. In zwei Generationen keine Irren mehr. Eine andere, glücklichere Menschheit? O Gott, wie genial pfuscht der Mensch Gott ins Handwerk.
    »Ich bleibe«, sagte Dr. Keller mit trockenem Hals und wie mit geschwollener Zunge. »Ich werde noch einmal mit Angela sprechen.« Er stützte sich auf den Tisch und atmete stoßweise. »Wann … wann wirst du das erste Experiment am Menschen machen?«
    »Ich weiß es noch nicht. Dazu brauche ich einen Gehirnspender von überragender Geistigkeit und einen Empfänger, der bereit ist, Geist und Wesen des Toten mit allen Konsequenzen weiter in sich als neues Wesen zu tragen.«
    »Einen solchen Menschen wirst du nie finden!«
    »Wer weiß? Auch in der Wissenschaft bewirken Zufälle oft den Fortschritt.«
    Am Abend sprach Dr. Keller noch einmal mit Angela. Sie saß wieder in seinem Zimmer. Aus München hatte sie die neueste Mode mitgebracht: ein Mini-Kleid, bedruckt mit Mustern im Jugendstil. Es sah sehr lustig aus. In dem Kleid wirkte Angela wie eine Schülerin.
    »Nun?« sagte sie, als Dr. Keller müde aus der Klinik kam. Er hatte mit dem finster blickenden Kamphusen, der kein Wort mit ihm sprach, drei Elektroschocks an Kranken mit Wahnvorstellungen gemacht. Das alles wird einmal vorbei sein, hatte er gedacht, hoffnungslos veraltet, wenn Dorians Schritt in die Zukunft wirklich eine Zukunft aufschließt. Wer wird dann noch Elektro- und Insulinschocks machen, Tiefenhypnosen, Heilschlaf, Psychopharmaka-Behandlung? Eine kleine Spritze nur ins Hirn, und der Mensch wird klüger.
    »Es ist schön, daß du da bist, Angi«, sagte er. Er zog den weißen Kittel aus und griff mit zitternden Fingern zu einer Zigarette.
    »Du siehst müde aus, Bernd.«
    »Ich bin auch fix und fertig.«
    Er setzte sich auf die Couch. Angela Dorian zog seinen Kopf zu sich hinüber und küßte ihn.
    »Und das soll so weitergehen? Jahr um Jahr? Am Tage allein … abends ein todmüder Mann? Ist das ein Leben, Bernd?« Sie streichelte ihm über die Haare. »Du hast mit Vater gesprochen?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Er läßt mich nach Zürich.«
    »Bernd!« Das war ein Jubelschrei. Angela sprang von der Couch und warf vor Freude die Kissen gegen die Wand. »Wann heiraten wir? Wann ziehen wir um?«
    Dr. Keller sah ihr traurig zu. Wie hübsch sie ist, dachte er. Wie jung, wie glücklich in diesen Sekunden. Er blickte weg und sah dem Rauch seiner Zigarette nach.
    »Heiraten können wir sofort – nach Zürich ziehen wir nicht.«
    Plötzlich war es still im Zimmer. Angelas Arme, im Jubel noch immer hochgereckt, sanken herab. »Was heißt das …?« fragte sie endlich.
    »Ich bleibe. Dein Vater hat mich überzeugt. Mein Lebensweg ist genau vorgezeichnet … und du solltest ihn mit mir gehen …«
    »Danke.«
    Angela raffte ihre Tasche von der Couch und ging zur Tür. Dr. Keller sprang auf, aber sie schüttelte seine Hand ab.
    »Laß das!«

Weitere Kostenlose Bücher