Das Schloss in Frankreich
intelligent, danke für Ihr Kompliment. Aber ich denke nicht daran, mich von Ihnen einschüchtern zu lassen wie von einem Bulldozer.«
»Pardon?« Er sah sie verblüfft und zugleich selbstgefällig an.
»Ich werde mich noch vieler gewöhnlicher Ausdrucksformen bedienen müssen, um Sie endgültig zur Verzweiflung zu treiben.«
Hochmütig schweigend begleitete Shirley Christophe zu den Ställen, mit absichtlich schnellen Schritten, um sich seinem Tempo anzupassen. Sie wollte ihm nicht wie ein gehorsames Hündchen hinterherlaufen. Als sie das Nebengebäude erreichten, führte ihnen ein Stallknecht zwei Pferde vor, die bereits aufgezäumt und gesattelt waren.
Der Rappe glühte tiefschwarz, der Falbe war cremefarben. Besorgt stellte Shirley fest, dass beide Tiere unglaublich groß waren, blieb plötzlich stehen und betrachtete sie zweifelnd. In Wirklichkeit würde er mich nicht an den Haaren herbeizerren, dachte sie vorsichtig. Laut fragte sie: »Wenn ich jetzt auf dem Absatz kehrtmachte, was würden Sie dann tun?«
»Ich würde Sie nur wieder zurückholen, meine Kleine.« Er schien diese Frage bereits erwartet zu haben.
»Der Rappe ist offensichtlich Ihr Pferd, Graf, sagte sie leichthin, um ihre wachsende Panik zu unterdrücken. »Ich sehe schon das Bild vor mir, wie Sie bei hellem Mondschein über Land reiten und der Säbel an Ihrer Hüfte schimmert.«
»Sie haben viel Fantasie, Mademoiselle.« Er nickte, übernahm die Zügel des Falben von einem Stallburschen und führte ihr das Reitpferd vor. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück und schluckte tief.
»Ich nehme an, dass ich ihn jetzt besteigen soll.«
»Sie«, korrigierte er und verzog leicht den Mund.
Sie funkelte ihn ärgerlich und nervös an, beschämt von ihrer Furcht. »Ihr Geschlecht kümmert mich herzlich wenig.« Sie betrachtete das ruhige Tier. »Sie ist ja riesig groß.« Ihre Stimme klang um mehrere Grade ängstlicher, als ihr recht war.
»Babette ist ebenso sanftmütig wie Korrigan«, beruhigte Christophe sie unvermutet geduldig. »Sie mögen doch Hunde, nicht wahr?«
»Ja, aber ...«
»Sie ist sehr gutartig, finden Sie nicht?« Er nahm ihre Hand und führte sie an Babettes Nüstern. »Sie hat ein weiches Herz und möchte jedem gefallen.«
Ihre Hand war gefangen zwischen der samtigen Haut
des Pferdes und Christophes festem Griff. Diese Berührung empfand Shirley als seltsam wohltuend. Erleichtert gestattete sie ihm, ihre Hand über das Fell der Stute zu führen. Sie
drehte den Kopf um und lächelte ihm über die Schulter hinweg zu.
»Sie fühlt sich sympathisch an«, begann sie, doch als die Stute durch die weit geöffneten Nüstern schnaubte, fuhr sie erschrocken zurück und taumelte an Christophes Brust.
»Seien Sie nicht so nervös, chérie.« Er lachte leise auf und umfasste ihre Taille, um sie zu beruhigen. »Sie sagt Ihnen doch nur, dass sie Sie mag.«
»Aber damit hat sie mich etwas erschreckt«, verteidigte Shirley sich leicht verärgert, und sie entschied, dass es jetzt geschehen müsste oder niemals. Sie wollte ihm sagen, dass sie zum Aufsteigen bereit sei, doch er hielt sie weiter fest, und sie blickte wortlos in seine rätselhaften Augen.
Sie fühlte, wie ihr Herz einen atemberaubenden Augenblick lang stillzustehen schien, um dann plötzlich wild zu klopfen. Einen Moment glaubte sie, dass er sie wieder küssen würde, und zu ihrer Überraschung und Verwirrung stellte sie fest, dass sie mehr als alles andere in der Welt seine Lippen auf ihrem Mund fühlen wollte. Stattdessen sah er sie nachdenklich an und gab sie kurz darauf frei.
»Lassen Sie uns beginnen.« Kühl und selbstbeherrscht übernahm er die Rolle des Lehrers.
Ehrgeiz packte Shirley: Sie wollte eine Meisterschülerin werden. Sie schluckte ihre Furcht hinunter und erlaubte Christophe, ihr beim Aufsitzen behilflich zu sein. Überrascht stellte sie fest, dass der Erdboden doch nicht so weit von ihr entfernt war, wie sie zunächst angenommen hatte, und sie folgte aufmerksam Christophes Instruktionen. Sie gehorchte ihm aufs Wort und konzentrierte sich auf seine Anweisungen, mit der Absicht, sich nicht mehr zu blamieren.
Shirley beobachtete, wie Christophe seinen Hengst beneidenswert anmutig und behände bestieg. Der temperamentvolle Rappe passte perfekt zu dem dunklen, sehnigen Mann. Sie überlegte kummervoll, dass nicht einmal Tony, als er noch Feuer und Flamme für sie war, sie so beeindruckt hatte wie dieser wildfremde Graf.
Ich darf mich nicht von ihm
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