Das Schloss in Frankreich
spiegelte ihr Gesicht ihre Gedanken wider. Er lächelte und neigte den Kopf. »Verfügen Sie über die passende Kleidung?«
»Passende Kleidung?« wiederholte sie verlegen.
»Aber natürlich.« Er schien ihren wechselnden Gesichtsausdruck zu genießen, und sein Lächeln vertiefte sich. »Ihr Geschmack in Bezug auf Kleidung ist hervorragend, doch mit einem Gewand wie diesem sollten Sie besser kein Pferd reiten.«
Sie blickte auf ihr sanft fließendes schilfgrünes Kleid und dann wieder in sein amüsiertes Gesicht. »Ein Pferd?« Sie runzelte die Brauen.
»Es ist unmöglich, die Ländereien mit einem Auto zu besichtigen, meine Kleine. Dazu ist ein Pferd besser geeignet.«
Während er sie anlachte, richtete sie sich würdevoll auf. »Es tut mir Leid, aber ich kann nicht reiten.«
»Das ist ja unmöglich«, rief die Gräfin ungläubig. »Gabrielle war eine hervorragende Reiterin.«
»Vielleicht ist die Reitkunst nicht erblich, Madame.« Shirley amüsierte sich über den verständnislosen Gesichtsausdruck der Gräfin. »Ich verstehe absolut nichts vom Reiten. Nicht einmal ein Karussell-Pony habe ich in der Gewalt.«
»Ich werde Sie unterrichten.« Christophes Worte glichen eher einer Feststellung als einem Wunsch, und sie wandte
sich ihm wieder zu. Ihre Heiterkeit wich einer hoheitsvollen Geste.
»Ich weiß Ihr Angebot zu würdigen, Monsieur, aber ich habe nicht die Absicht, mich unterrichten zu lassen. Machen Sie sich keine Mühe.«
»Trotzdem sollten Sie es tun.« Er hob sein Weinglas. »Halten Sie sich bitte um neun Uhr für die erste Unterrichtsstunde bereit.«
Sie musterte ihn, erstaunt über seine Eigenmächtigkeit. »Aber ich sagte Ihnen doch gerade ...«
»Seien Sie pünktlich, chérie«, warnte er sie betont gleichgültig und erhob sich. »Es ist bestimmt angenehmer für Sie, zu den Stallungen zu gehen, als an Ihren goldenen Haaren dorthin gezogen zu werden.« Er lächelte, als reizte ihn die letztere Möglichkeit. »Gute Nacht, Großmutter«, fügte er herzlich hinzu, ehe er das Zimmer verließ. Shirley kochte vor Zorn, aber ihre Großmutter war offensichtlich zufrieden.
»Das ist eine Anmaßung«, sprudelte sie hervor, als sie ihre Stimme wieder in der Gewalt hatte. Ärgerlich schaute sie die alte Dame an: »Wenn er glaubt, dass ich ihm lammfromm gehorche und ...«
»Es wäre ganz vernünftig, ihm zu gehorchen, ob nun lammfromm oder nicht«, unterbrach die Gräfin. »Wenn Christophe sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat ...« Mit einem kleinen, bedeutungsvollen Achselzucken überließ sie den Rest des Satzes Shirleys Vorstellungsvermögen. »Sie haben doch Hosen mitgebracht, nehme ich an. Catherine wird Ihnen morgen früh die Reitstiefel Ihrer Mutter bringen.«
»Madame, ich habe nicht die geringste Absicht, morgen
früh ein Pferd zu besteigen.« Shirley betonte jedes einzelne Wort.
»Seien Sie nicht albern, Kind.« Die schlanke, ringgeschmückte Hand griff nach dem Weinglas. »Christophe ist durchaus imstande, seine Drohung wahr zu machen. Er ist ein sehr starrköpfiger Mann.« Sie lächelte, und zum ersten Mal empfand Shirley echte Wärme für sie. »Vielleicht noch dickköpfiger, als Sie es sind.«
Leise schimpfend zog Shirley sich die derben Stiefel ihrer Mutter über. Sie glänzten sauber und schwarz und passten ihr wie angegossen.
Es scheint, als hättest du dich gegen mich verschworen, schalt sie, innerlich völlig verzweifelt, ihre Mutter. Als es
an ihrer Tür pochte, rief sie beiläufig: »Herein!« Doch es
war nicht etwa die kleine Dienstbotin Catherine, die die Tür öffnete, sondern Christophe. Er war nachlässig elegant mit rehbraunen Reithosen und einem weißen Leinenhemd bekleidet.
»Was wünschen Sie?« grollte sie und zwängte sich in den zweiten Stiefel.
»Vor allem möchte ich wissen, ob Sie tatsächlich pünktlich sind, Shirley«, erwiderte er leicht lächelnd. Dabei wanderten seine Augen über ihr rebellisches Gesicht und den schlanken, geschmeidigen Körper in dem glitzerbedruckten T-Shirt und den eng anliegenden Jeans.
Sie wehrte sich innerlich gegen seinen Blick und die Art und Weise, wie er jedes einzelne Merkmal ihrer äußeren Erscheinung in sich aufnahm. »Ich bin bereit, Graf, doch ich fürchte, dass ich keine sehr gelehrige Schülerin sein werde.«
»Warten Sie ab, chérie.« Er betrachtete sie nachdenklich. »Sie scheinen durchaus imstande zu sein, einigen einfachen Instruktionen zu folgen.«
Ihre Augen wurden schmal. »Ich bin einigermaßen
Weitere Kostenlose Bücher